Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Wien, 22. Mai 1884
Wien 22. Mai 1884.
Geliebter und verehrter Freund!
Zum Glück wissen Sie’s, auch ohne daß ich es Ihnen sage, welche Freude mir jeder Ihrer Briefe bereitet. Ich könnte es Ihnen auch gar nicht sagen, wie werth mir z. B. Ihr lieber, lieber Letzter vom 17. vorigen Monats ist. Ich sehe es als ein besonderes Glück an, daß Sie durch Ihren freundlichen Besuch mit meinem Wildhauser Aufenthalt, ich kann sagen und Sie verstehen das, mit meiner || Jugend verflochten sind. Das Schmerzliche des Verlustes ist überwunden, die Befreiung von schweren Sorgen ist unschätzbar und die herrliche Erinnerung ist fleckenlos zurückgeblieben. Fritzi, die Ihre Grüße herzlichst erwidert, habe ich jetzt hier, und zu Pfingsten sind wir wieder in Gratz.
Proceß habe ich zum Glück keinen zu führen, würde mich aber gegebenesfalls nur an Sie wenden. Vor einer Rechnung, die den etwaigen Gewinn illusorisch machen würde, wäre ich wenigstens sicher. ||
Über Kösting’s: „Weg nach Eden“ habe ich mich noch immer nicht gewagt. Wenn ich nur bestimmt wüßte, daß ich Ihre Empfehlung ernst nehmen darf?
Hier verfüge ich fast über gar keine freie Zeit, und der ganze heutige Feiertag ist der Beantwortung von Briefen gewidmet. Darum muß ich schon schließen und lege ich zur Verlängerung des Briefes einen neuen „Kosmos“-Artikel bei. Möchte er Sie und Ihre Lieben im besten Wohlsein antreffen! Mit diesem herzlichsten aller Wünsche
Ihr treuergebener
B. Carneri