Giltsch, Adolf

Adolf Giltsch an Ernst Haeckel, Jena, 26. Dezember 1900

Jena, d. 26. Dez. 1900.

Liebster Herr Professor!

Heute möchte ich die Feiertagsmuse benutzen um Ihnen ein kleines Lebenszeichen von mir zu geben. Am Sonntag war ich mit meinen Söhnen auf der Ammerbacher Platte, Ihrem Lieblingspunkta und dabei dachten wir so recht an Sie. Am Tage vorher hatte mir das Bibliographische Institut ein Heft (8.) der Schweizer graphischen Mitteilungen zugesandt. Darin hat ein Herr Theodor Göbel, ein sehr bekannter und tüchtiger graphischer Schriftsteller über die neuesten Verlagswerke des Instituts einen Artikel geschrieben und in erster Linie unsere Kunstformen gerühmt. Da dem Artikel die Seeanemonen-Tafel als Beilage vorgeheftet war, so behandeltb derselbe besonders die Herstellung || dieser Tafel als etwas Eigenartiges und ich bin dabei so furchtbar gelobt, daß ich mich vor Stolz gar nicht mehr kenne!? Doch muß ich bekennen, daß ich mich recht darüber gefreut habe, obgleich alles viel besser sein konnte und die einzelnen Farbenplatten viel mehr ausgenutzt werden mußten. Meinem Freunde Körner habe ich geschrieben, daß solche Versuche erst nach Ihrer Rückkehr c wieder gewagt werden könnten. Freuen thuts mich aber, daß unser liebes Institut sich wie scheint mit unsern Tafeln brüstet. Wie schwerfällig die dabei waren, wissen Sie ja selbst.

Leider habe ich bis jetzt nicht viel mehr für die Kunstformen geschafft. Ich habe sicherlich 1 oder 2 Tage für eine Arbeit von Biedermann gezeichnet. Da ist mir zuletzt ein Praeparat unter die Augen gekommen, welches mir als wahres Wunderpraeparat erschien. Es ist die Schale unserer gewöhnlichen Salatschnecke, welche diese auf der Rückenseite unter der Haut besitzt. Die Innenseite ist ganz wunderbar krystallisirt. || Aber nicht nur ein Motiv ist da, sondern in kleinen Abtheilungen eine ganze Menge. Ich glaube da läßt sich eine ganze Tafel daraus machen. Biedermann hat mir dieses Praeparat versprochen und ein anderes, aber weniger schönes, schon geschenkt. Die Polarisationsbilder geben auch manchmal recht hübsche Motive. Ich will mich nun aber doch wieder besser in unsere Kunstformen legen, damit ich bis zu Ihrer Rückkunft fertig bin, sonst kriege ich schließlich noch Haue von Ihnen. Was ich von Ihnen hörte, war ja recht zufriedenstellend und hoffe ich daß Sie den Eintritt in das neue Jahr recht froh und gesund angetreten haben, wenn Sie diese Zeilen erhalten und Ihren Geburtstag in einer recht prächtigen Landschaftsszenerie verleben möchten.

Den Titel als akademischer Zeichenlehrer habe ich nicht erhalten, doch wurde mir vom Herrn Kurator eröffnet, daß es mir gestattet sein soll, in den Räumen des zoologischen Instituts privatim wissenschaftlichen Zeichenunterricht abzuhalten. ||

Für Wandtafel sind mir 250 Mark aus Universitätsmitteln bewilligt. Ich bin daraufhin beim Prorektor und Kurator gewesen um mich zu bedanken, habe mich bereit erklärt, auch ohne den Titel, den Unterricht (Kursus) vor Ostern ab zu geben und wurde veranlaßt für dasd Vorlesungsverzeichniß meinen Kursus an den Dekan der philosophischen Fakultät mitzutheilen. Wie mir Herr Prof. Linck privatim e sagte, hat man es nicht für statthaft gefunden, meinen Unterricht an den des akademischen Tanzlehrer etc.f anzuschließen, sondern an die wissenschaftlichen Vorlesungen, um damit den wissenschaftlichen Charakter des Unterrichts darzulegen. – Morgen werde ich die Strobalia-Tafel anfangen. – Für das Lexikon soll ich wieder 2 schwarze Tafeln zeichnen (Weiße Figuren) und muß an einem der nächsten Sonntage nach Greiz zu einem Prof. Ludwig fahren, welcher einen Artikel über Schwebealgen schreibt. In einem mir dafürg zugesandten Buche von Engler & Prantl sind Peridinien, Bacillarien etc. abgebildet und man sieht daraus wie viel noch Zierliches in diesen Gruppen zu verwenden ist.

Nun leben Sie wohl und denken Sie manchmal an Ihren getreuen

Ad. Giltsch

Viel Grüße und Glückwünsche von meiner Familie.

a korr. aus: Lieblich; b korr. aus: handelt; c gestr.: in’s; d korr. aus: den; e gestr.: mit; f eingef.: etc.; g eingef.: dafür

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.12.1900
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 460
ID
460