Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Schloss Wildhaus, 26. Juli 1872
Wildhaus 26. Juli 1872.
Mein hochgeehrter Herr!
Der heutige Tag gehört zu den schönsten meines Lebens. War ich schon freudigst überrascht durch die so liebenswürdige Übersendung eines Exemplars Ihrer Schöpfungsgeschichte in dritter Auflage, so blieben mir entschieden die Sinne stecken, als ich beim Aufschneiden des Buches auf die Stelle gerieth, die Sie mir in Ihrer Vorrede widmen. Eine mir werthvollere Anerkennung wüßte || ich nicht zu denken, denn ich schätze sie nach Ihnen, und, wie hoch ich Sie schätze, dafür fehlt mir der Maßstab.
Ich trage ein Buch im Herzen, das, wenn es nach meinem Wunsch ausfällt, noch weit populärer sein wird, als das erste. Leider kann ich für jetzt nicht an die Ausführung schreiten, da ich ein kranker Mensch bin, und angestrengt nicht schreiben darf, richtiger gesprochen, nicht schreiben kann. Das dumme Übel, daran ich leide, ist ein torticolis intermittens; doch giebt sich’s fortlaufend, und komme ich wieder || ordentlich zum Schreiben, so wird dabei das Streben, Ihnen keine Schande zu machen, mein erster und mein letzter Gedanke sein.
Bleiben Sie gesund – Ihnen, den Ihrigen, dem Vaterlande, der Welt; und seien Sie des lebendigsten Dankes versichert
Ihres
aufrichtig ergebenen
B. Carneri