Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Groß Brütz, 27. Juni 1919.

FRAU E. V. CROMPTON | JAGDHAUS GR. BRÜTZ

POST WITTENFÖRDENBEI SCHWERIN I. M.

27.6.19.

Hochverehrte Excellenz,

wie mag es Ihnen wohl ergehen? Haben Sie das kleine Paketlein richtig erhalten, lieber, guter Herr Geheimrat?

Was sagen Sie nur zu diesem furchtbaren Zusammenbruch? Dabei scheint sich die Mehrheit noch gar nicht klar zu sein über Alles, über die Folgen, dieser bodenlosen Schmach, die dieses kathol. Subjekt, dieser Erzberger krönt.

Gestern wurde ich 42 J. alt und da ich das Haus voll habe, mit jungem, lebenshungrigem Volk, mußte ich sie leben u. sich vergnügen lassen – – mein || Trautchen ganz besonders war so herzig u. so vergnügt u. selig, daß ich’s kaum anschauen konnte in den Gedanken, wozu u. warum das Geschöpfchen heranwächst.

Denn ich glaube nach all dem, was man sieht u. hört, ist die Existenz aussichtslos.

Wenn man noch jünger und weniger zermürbt wäre – Auswanderung – aber so – ich glaube, der Kampf da draußen würde die Kräfte übersteigen und dabei immer doch das Gefühl der Ehrlosigkeit zu haben.

Ich nehme meine Zuflucht Abends am liebsten zu den Sternen – wenn ich in die gestirnte Unendlichkeit schaue – und da oben „der gestirnte Himmel über uns“ so unerbittlich und kühl herniederlächelt, dann schweigen alle Wünsche || und ich beuge mich still vor der unendlichen Größe und sehne mich nur „in’s Nichts dahin zu sinken“ – – – – – Das ist am Ende doch nur das Einzig Wahre – – – – vielleicht komme ich auch noch um den Conflikt herum mit Trautchen – schließlich habe ich’s doch eigentlich nur dem Leben abgerungen, so habe ich wohl ein Bestimmungsrecht an dasselbe – – –

Ach ja, trübe Gedanken – – – eine rechte neue Lebensjahrstimmung – – – Das Einzige, was etwas über All der Jammer hinweghilft, ist und bleibt doch nur Goethe und Ihre Werke – ich bin Ihnen ja so unendlich dankbar für all die Schönheiten, die Sie, liebster, guter Herr Geheimrat, mir dadurch beschert haben. Da wird man auch ganz auch ganz ruhig u. still – – – – Es ist doch blos solch eine Schande u. Schmach, daß gerade in || Weimar unser ehrloser Untergang besiegelt wird –

Ach, verzeihen Sie bitte, liebster Herr Geheimrat, dies Alles – doch ich kann garnicht mehr anders denken – Bitte, sagen Sie mir doch durch ein paar Zeilen nur, wie es Ihnen geht – ist Ihr Sohn schon wieder in München? Sonst könnte er wohl nicht mehr zurück? Wie geht es Ihren anderen Kindern?

Alles Gute u. Liebe – wie es nur möglich ist, wünscht Ihnen von ganzem Herzen – u. innigen Grüßen, einem süßen Küßchen von klein Trautchen, einer Empfehlung von meinem Manne

stets Ihre Ihnen unendlich dankbare, immer treu ergebene

Adoptivtochter | Elli von Crompton

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.06.1919
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4581
ID
4581