Ella von Crompton an Ernst Haeckel, [ohne Ort], 9. November 1918.
9.XI.18.
Hochverehrte Excellenz,
herzlichst Ihnen für Ihre letzten Zeilen dankend, lieber, guter Herr Geheimrat, was hat sich Alles in der Zwischenzeit ereignet – seit dem 6.XI. ist es hier auch in Schwerin – kein Offizier ist mehr hier – der Großherzog ist interniert, die Soldaten fahren mit den Großherzogl. Auto’s – – die Züge dürfen nicht mehr verkehren – Extrazüge wurden bestellt u. sämtliche Offiz. aus Ludwigslust, Parchim, Güstrow etc. verhaftet – Maschinengewehre stehen auf dem Bahnhof. || Rußland ist nichts dagegen – u. Alles der unseligen Regierung des schwachen romantischen Kaisers in Bethanien zu verdanken – die Flotte weg – ein Schauspiel für die Feinde – man schämt sich – „deutsch“ zu sein, so elend u. erbärmlich. Was wird unserer Jugend bevorstehen – mir tut es weh – das glockenhelle Lachen vom kl. Trautchen zu hören – und wenn es sich auch auf’s Land ergießt – man ist machtlos – da doch lieber ein Ende mit Schrecken. Wenn es Ihnen irgend möglich ist, liebster, guter Herr || Geheimrat, bitte senden Sie mir doch das „letzte“ („Mohnsaft“) als event. letzte „Erlösung“ in diesem entsetzlichen Zusammenbruch. Innigst dankbar wäre ich Ihnen für recht schnelle Mitteilung, wie es Ihnen ergeht. Leider kann ich Ihnen z. Zt. nichts schicken. Schwerin ist im Umkreis von 2 km umstellt u. es wird Alles nachgesehen. Telegrafen-Amt, Alles ist ina Händen der Revolutionäre. – Und denken Sie – unsere Truppen sind so durchseucht – Hindenburg soll der bestgehaßteste sein – weil er angeblich das Volk mit Siegen belogen hat u. den Krieg verlängerte – – –||
Hoffentlich bleibt es im stillen Saale-Athen ruhig – wir hören hier nichts, weil alle Zeitungen beschlagnahmt sind.
Alles Gute u. Liebe aus diesem tollsten Chaos von Ihrer
Sie hochverehrenden Ihnen stets treu u. innig dankbar ergebene
Elli v. Cr.
a eingef.: in