Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Groß Brütz, 18. Juni 1918.

Jagdhaus Gr. Brütz, 18.VI.18.

Hochverehrte Excellenz,

ich sandte Ihnen gestern ein kl. Wertpaket ab, Inh: etwas Butter u. Speck, das Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, hoffentlich etwas nützen wird u. gut tun. Von ganzem Herzen hoffe ich, daß es Ihnen etwas besser geht u. Sie das Blühen u. Wachsen wieder recht genießen können. Ihre Kinder sind wohl Alle wieder fort? Waren es schöne Zeiten? Meine Gedanken weilen so oft bei Ihnen, so lange wollte ich Ihnen schreiben, doch fand ich keine ruhige Minute dafür. Nur ab u. zu Abends flüchte ich mich für ein paar Sekunden auf mein geliebtes u. schon viel gestopftes, teures Haeckel-Sofa schaue u. schaue auf ihre schönen Aquarelle – auf Goethe’s Gartenhaus, Dornburg, Ihr Porträt – träum u. sehne mich für Augenblicke fort – dann geht es wieder in die aufreibende, zeitraubende Tätigkeit.

Ab u. zu Nachm. fasse ich mein kl. Sonnenscheinchen an’s Händchen u. laufe ein Stck. mit ihr in den Wald dicht am Hause. Dann muß ich ihr von Onkel Haeckel erzählen, sie pflückt unzählige Blümchen für Sie, lieber, guter Herr Geheimrat, dann kommt die Reihe an Goethe u. Weimar – sie weiß, daß Goethe den Faust gedichtet hat, u. „sah ein Knab ein Röslein stehn“, daß Sie, liebster Herr Geheimrat, all die unzählig vielen Radiolarien gefunden u. gezeichnet haben. Sie bekommt von dem Allen niea genug u. ich bin glücklich darüber, daß ich ein kl. teilnehmendes Seelchen für all mein Schönstes auf der || Welt habe. Übrigends das Frl. f. Trautchen habe ich nicht mehr. Sie hielt Trautchen f. dumm, weil das kl. Geschöpf in ihrer eigenen, Ihnen oben geschilderten Welt lebt u. glücklich ist. Dabei sorgte sie garnicht f. das kl. Wesen. Es ist doch nichts mit einer Katholikin. 1 x u. nie wieder! Auch sonst viel Ärger u. Sorgen, kaum zum Denken. 3 neue Pensionärinnen können nicht kommen, da laut ärztlichem Attest sie nach ansteckenden Krankheiten zu elend geworden sind. Solch böser Ausfall – Dazu das immer schwieriger werdende Problem der Ernährung. Vorgestern sind mir im Garten sämtliche Pflanzen gezählt worden – wegen Ablieferung. Dabei ist schon Alles so knapp. – Wie steht es bei Ihnen mit Gemüse. Ich könnte Ihnen sonst in nächster Woche etwas Schoten u. Karotten senden. Bitte um Bescheid. Aus dem Brutapparat habe ich 40 kl. Enten herausbekommen. Ich freue mich sehr, besonders da ich hoffe, Ihnen dann im Herbst etwas davon senden zu können. In 8 Tg. werde ich bereits 41 J. alt und wenn ich an zu denken anfange – nichts vorwärts gebracht – noch nichts für das Kind – das es doch 1 x besser im Leben haben soll wie ich – geschafft – dann wird es mir Angst – Es ist fast, als ob ein Fluch oder böses Schicksal auf einem ruht, daß man trotz Alles Fleißes und redlichen Schaffens nicht vorwärts kommt – – – – –

Doch, liebster Herr Geheimrat, Alles Gute u. Liebe Ihnen, ein kl. Bildchen von Ihrem kl. Patchen, mit den beiden kl. Dackeln u. ein herzliches Küßchen von ihr u. einliegendes Blümchen von ihr.

Immer u. stets Ihre Sie so hochverehrende, Ihnen treu u. aufrichtig dankbar ergebene

Adoptivtochter

Elli v. Crompton

a eingef.: nie

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.06.1918
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4560
ID
4560