Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Groß-Brütz, 28. Januar 1917

E. V. CROMPTON | JAGDHAUS GR. BRÜTZ | BEI SCHWERIN I. M.

POST WITTENFÖRDEN

28. Jan. 1917

Hochverehrte Excellenz,

gestern sandte Ihnen Trautchen ein kleines Paketchen mit etwas Gebäck von ihrem 3. Geburtstage (eigentlich 4. da sie 3 Jahre geworden ist). Ich fügte noch ein kl. Pröbchen sogenannte „Kindernahrung“ bei, von dem ich letzte Woche die 2 letzten Pakete erhielt.

Vielleicht kocht Ihre Köchin Ihnen Abends 1 x eine Suppe davon. Ein Eßlöffel für einen Teller; Zuerst im Wasser ¼ Std. – 20 Min. gekocht: dann Milch || zugegossen und damit noch etwasa kochen lassen. Es schmeckt ganz vorzüglich: hört aber nun auchb auf wie manches Andere.

Die Frau Kronprinzessin, die es bis dahin auch immer aus Schwerin bezogen, hat es das letztemal nicht erhalten, da auf dem „Amte“ gesagt wurde: „Das wäre ganz egal, ob es der Kaiser oder die Kronprinzessin wäre, einen Bezugsschein müßten sie Alle haben.“ Ja, es wird jetzt ganz böse, die Kartoffeln sind auch hier zugeteilt, die Gendarmen gehen herum und fragen, und bestrafen, wer Kartoffeln verfüttert oder zu viel ißt – –

Von ganzem Herzen danke ich Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat || für Ihren freundlichen, lieben Brief, mit den guten Nachrichten.

Zu gerne möchte ich einmal Ihre neuesten Schneeaquarelle sehen, die müssen köstlich sein, jetzt die Aussicht von Ihrem Fenster aus auf die wundervollen Kernberge.

Bei uns sind auch wundervolle Motive jetzt, der tief verschneite Wald herrliche Abend und Morgen-Beleuchtungen. Doch komme ich leider garnicht zum Aquarelliren in mein Atelier u. das erinnerungsreiche schöne rote Sopha benutze ich nur für Augenblicke, um einen Augenblick der Ruhe u der Besinnung zu haben durch Hineinschauen in unsren herrlichen Goethe (Faust)c der mit einem Bild von Ihnen zusammen auf einem Brettchen dicht daneben immer liegt. Dann steige ich getrost und frischen Mutes voll wieder hinunter in das || Getriebe. Hoffentlich, wenn ich nur endlich mit der bösen Dienstbotenfrage in Ordnung bin, werden auch für mich etwas ruhigere Zeiten wieder kommen, in der ich Trost und Erholung in Ausübung der Kunst finden werde; nicht nur im Anschauen und Bewundern derselben.

Alles Gute und Liebe, hochverehrter, lieber guter Herr Geheimrat, ein liebes Küßchen

von Trautchen, Ihrem kl. Adoptivenkelchen, der Schelm wird immer lieber u. reizender.

Mittags bei Tisch neckt ihr vis à vis Major Bach sie immer, indem er Frl. Papelmayer zu ihr sagt, (ihrer langen Reden wegen) dann sagt sie ganz strafend und energisch: „nein, Trautchen. heißt das! Überhaupt hat sie viel Charakter; es ist garnicht so einfach, immer das Richtige bei ihr zu finden. Aber doch eine grenzenlose Freude, dies kl. Menschenknöspchen sich entwickeln zu sehen. Bei den andern Gotteskindern werden die Freuden wohl keine so reinen sein; die sind nicht mehr so unberührt u. frisch, wenn sie in mein Haus kommen; doch hoffe ich auch da auf Freude. Eine schöne Empfehlung von meinem Mann. Innigste Grüße von Ihrer

Sie so hochverehrenden, Ihnen stets treu u. dankbarst ergebenen „Adoptivtochter“

Elli v. Cromptond

a eingef.: etwas; b eingef.: auch; c eingef.: (Faust); d weiter am Rand: Sie so … Crompton.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.01.1917
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4531
ID
4531