Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Bielefeld, 16. August 1918

Bielefeld, 16.8.1918

Sehr geehrter Herr Professor!

Zunächst spreche ich Ihnen noch einmal meine Freude darüber aus, dass es mir vergönnt war, Sie nach zwei Jahren einmal wieder zu sehen und Sie verhältnismässig so wohl zu finden, wenigstens abgesehen von dem abscheulichen Beinleiden, das Sie am Gehen hindert. Auch danke ich Ihnen noch einmal recht herzlich für die beiden Aquarelle, die mir eine wertvolle Erinnerung bleiben werden. Sie fragten mich, ob ich sonst noch einen Wunsch hätte. Wenn Sie noch das eine oder andere Buch für mich als Erinnerungszeichen an unsere mehr als vierzigjährige Bekanntschaft übrig haben, werde ich mich natürlich sehr darüber freuen.

Und nun zu unserer Arbeit! Ich lege Ihnen hier den Entwurf für die gewünschte Denkschrift bez. der Reorganisation des Monistenbundes bei. Der Entwurf enthält die mir am wichtigsten erscheinenden Punkte, die ich als Grundlage für den neuen Bund festgehalten wissen möchte. Natürlich klebe ich auch da nicht an allen Einzelheiten fest, sondern bitte Sie, Dr. Schmidt und auch Herrn Brauckmann, etwaige Aenderungen und Zusätze vorzuschlagen und mir dann den geänderten Entwurf zunächst zu meiner erneuten Durchsicht wieder zugehen zu lassen. So werden wir schliesslich eine Grundlage gewinnen, auf der sich etwas Dauerhaftes aufbauen lässt, ein Bund, in dem zielbewusste Leute auch freudig und mit Erfolg arbeiten können, ohne immer von kleinen Steinen im Wege aufgehalten zu werden.

Die erste und nötigste Bedingung für die Ausführung unserer Pläne ist natürlich, dass der neuen Gründung so viele Mittel zur Verfügung stehen, dass die beiden Direktoren, wie ich die eigentlichen Leiter einstweilen nenne, || angemessen besoldet werden können und dass die Bureaukosten gedeckt sind. Das letztere braucht nur für die erste Zeit zu sein, denn später, wenn die Organisation ins Leben getreten ist, decken die regelmässigen Einnahmen diese Kosten. Wenn es Ihnen gelingt, Herrn Ludovici zu bewegen, seine Stiftung nach Jena zu überweisen und dem neuen Bunde resp. dem reorganisierten Bunde zukommen zu lassen, und wenn vielleicht noch die eine oder andere Zuwendung hinzukäme (Sie sprachen von Herrn Umrath), so wären die wesentlichsten Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt und die Gründung könnte unternommen werden. Ich würde um die Zukunft nicht besorgt sein.

Ob sich freilich die jetzigen Herren des Monisten-Bundes mit den neuen Grundlagen einverstanden erklären werden und ob sie namentlich mit meinem Wiedereintritt in eine leitende Stellung sich zufrieden geben, weiss ich nicht. Ich bin aber nur auf dieser Grundlage zu haben: Feste Anstellung gegen angemessene Besoldung, kleiner Vorstand mit einer Mehrzahl von Naturwissenschaftlern, Unabhängigkeit des Vorstandes von einer sog. Hauptversammlung, eigener Verlag des Bundes.

Ob ich im September nach Jena kommen kann, ist mir zweifelhaft. Da ich ja gar kein Mitglied des Monisten-Bundes mehr bin, so habe ich zu der Versammlung natürlich keinen Zutritt, möchte mich auch nicht etwa aufdrängen.

Es kommt jetzt nur darauf an, dass wir in der kleinen Denkschrift unsere Pläne und Absichten ganz klipp und klar hinstellen und dass Sie mit den uns anhängenden Herren dann keinen Zweifel darüber lassen, dass wir nur auf dieser Grundlage weiter verhandeln können. Gehen die Herren vom Monisten-Bund nicht darauf ein, dann müssen Sie mit den anderen Herren folgerichtig austreten und sogleich die Gründung der neuen Gesellschaft erklären – falls dieser die Mittel zur Verfügung stehen. Ueber diese Grundfrage müssen Sie mit Herrn Ludovici sich vollständig einigen, sie || ist die Quintessenz der ganzen Angelegenheit, soweit die praktische Seite in Frage kommt.

Sollte diesmal die Gründung so ausfallen, wie wir meinen, dann würde ich meinerseits begeistert an die Arbeit gehen und ich würde dafür sorgen, dass nicht wieder falsche Wege eingeschlagen würden.

Sollten Sie der Ansicht sein, dass einzelne Punkte der Denkschrift etwas weiter ausgeführt werden müssten, so bin ich dazu natürlich bereit. Aber die Länge ist nicht immer das beste.

Mit herzlichen Grüssen

in alter Treue

Ihr dankbarer

D. W Breitenbach ||

[Beilage Drucksache: Zur Reorganisation des Monismus und des deutschen Monistenbundes]

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
16.08.1918
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 44986
ID
44986