Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Grunewald, 11. Dezember 1914.

Berlin-Grunewald, Charlottenbrunnerstr. 4

11.XII.14.

Hochverehrte Excellenz,

bitte entschuldigen Sie, wenn ich erst heute Ihnen herzlichst für Ihren lieben Brief, wie für Ihre kleine Broschüre denken kann, aber es [ging] wirklich nicht früher. In letzter Zeit war ich arg abgehetzt und bin es noch, durch Krankheit und andere Unannehmlichkeiten. Ende Oct. legte mein Mann sich an einer infektiösen Lungenentzündung hin; es war nun schwierig für mich, die Pflege meines Mannes und die Abwartung von Trautchen; besonders wegen der Ansteckungsgefahr. Dazu suchte sich mein junges Mädchen, das ich mir angelernt hatte u. die mir durch Frl. || Friederici so empfohlen war, diese für mich doppelt schwere Zeit aus, um sich entsetzlich launisch und aufsässig zu betragen, sodaß ich sie zum 1. Dez. gehen lassen mußte. Die Undankbarkeit u. gemeine Charakterbildung des Mädchens kränkte mich doppelt tief, da es mir direkt schwer gefallen war, sie jetzt während des Krieges zu behalten; ich brauchte sie ja jetzt auch weniger, da ich nichts zu malen habe, auch mit Vermietungen nichts zu tun ist. Es tat mir nur leid um sie, sie zu entlassen, und erntete ich nun den Dank. Ich lasse mir jetzt nur morgends eine Frau kommen, Alles Andere besorge ich allein. In vergangener Woche ging mir Alles drunter und drüber, da die Kleine plötzlich hohes Fieber bekam und recht schlecht war. Nachher stellte sich heraus, daß sie ein Furunkel hatte. Jetzt ist Alles wieder gut. 2 Zähnchen hat sie auch schon ohne Geschrei bekommen. Es ist aber ein ganz gesundes, normales Kindchen sonst. Sie macht mir sehr || viel Freude.

Doch wie geht es Ihnen nun, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat? Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin?

Ist nun etwas mit dem Hodler Bild geschehen? Sind noch höhere Angebote eingegangen?

Heute früh waren wir ganz zerschmettert über unsere prächtigen Schiffe. Kunststück solch eine Unmenge Schiffe gegen die paar, dazu noch die großen Dreadnought’s. Es ist ein Jammer, daß der Winter jetzt so mild ist, da können wir garnicht voll unseren großen Sieg im Osten ausnutzen.

Der „heilige Krieg“ ist ja herrlich. Da hat unsere Diplomatie doch etwas geleistet. Die Engländer werden sich ja wohl nun die Zähne ausbeißen, wenn in ihren Colonien alles aufsteht. Die Inder haben sie doch unter der gemeinen Vorspiegelung nach Europa gelockt, „es ginge zu einer europ. Völkerschau“. Die Inder bitten ja immerzu gegen die Engl. kämpfen zu dürfen, wenn sie gefangen genommen werden. || Das tun wir nicht, weil es nicht anständig wäre, doch schicken wir alle ind. Gefangenen über die Türkei direkt nach Hause zurück. Dort werden sie ja dann das Weitere besorgen. Im Hauptquartier haben verschiedene Offiz. Inder als Pferdeburschen. Der Sohn des Kommandierenden der Marken v. Kessel zusammen mit einem Neffen v. Geh. Rat v. Guérard (eines Bekannten von uns) ist von den Engl. gleich zu Anfang gefangena genommen worden u. muß in Indien (od. Sumatra) die widrigsten Kuliarbeiten tun, Aborte reinigen etc. als Offizier. Wirklich das Maß ist voll dieses angeblichen Kulturvolkes. Wenn es doch wirklich nun bald vorwärts wollte dort im Westen. Es kostet doch ungezählte Opfer an Gut u. Blut. Jeder leistet aber freudig die höchsten Anforderungen. Stolz können wir doch sein auf unser Deutschtum – – – – –

Haben Sie gute Nachrichten von Ihren Angehörigen, die im Felde sind?

Alles Gute u. Liebe, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, herzliche Grüße auch Ihre hochverehrte Frau Gemahlin, es grüßt Sie herzlichst mit bester Empfehlung von meinem Manne

stets Ihre Sie so hochverehrende, Ihnen immer treu u. dankbar ergebene

Ella von Crompton

P. S. Anbei sende ich Ihnen einen Brief in Photographieb, der von der französischen Botschaft an alle Notabeln Rumänien’s verschickt wurde. Es ist doch empörend geradezu!c

a eingef.: gefangen; b eingef.: in Photographie; c eingef. am linken Rand: P. S. Anbei … geradezu.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
11.12.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4497
ID
4497