Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Grunewald, 21. Oktober 1914.

Berlin-Grunewald, Charlottenbrunnerstr. 4

21. October 1914.

Hochverehrte Excellenz,

von ganzem Herzen danke ich Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, wenn auch recht verspätet, worüber ich bitte nicht böse zu sein, für Ihren lieben guten Brief vom September. Ebenso herzlichst für die gütige Übersendung Ihres künftigen Artikels gegen Hodler in der Jenaer Zeitung. Ach ich habe mich so gefreut, daraus zu sehen, daß Sie doch ganz der alte, feuerflammende, für alles Recht und Edle aufrichtigst begeisterte Haudegen sind, (bitte den Ausdruck, der mir so entschlüpfte, zu verzeihen.) Diese ausländische Bande will uns als „Barbaren“ kennzeichnen und vergißt sich so weit, unsere deutschen Erzeugnisse || auf der Ausstellung von Lyon zu verschachern, die doch internationalen Völkerrechten unterliegt. Ich freue mich nur so, daß auf der Ausstellung gar keine Originale von Goethe und seiner Zeit waren, sondern nur Copien, trotzdem empört es jeden, daß diese Romanen die garnicht fähig sind, unseren Goethe und dessen höchste Cultur auch nur im Entferntesten zu verstehen, sich dieser Schätze bemächtigen.

Die Antwort von Prof. Kallmorgen auf Ihren Brief an Hodler (am Montag in der B. Z.) haben Sie doch gelesen. Herzlich habe ich mich auch darüber gefreut.

Bitte lassen Sie es mich doch wissen, ob u. was für Angebote Sie bereits erhalten haben.

Es freute mich sehr zu hören, daß es Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin wieder besser geht und hoffe dasselbe auch von Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat.

Mein Mann ist zeitweise furchtbar niedergedrückt, weil er nicht felddienstfähig ist. Er ist zu || unglücklich, daß er nicht auch für’s Vaterland kämpfen darf, wo so viel Tausende ihr Gut und Blut dafür lassen. Doch hofft er immer noch, vielleicht doch noch gebraucht werden zu können. Vorläufig hat er erst mal 14 Tg. an einer Nierengeschichte das Bett hüten muß und jetzt wird er arg von Rheumatismus gequält.

Kunst hat jetzt ganz aufgehört – eine Schülerin will morgen wieder 1x wöchentlich anfangen bei mir. Sonst übe ich jetzt fleißig Stricken; in der Zeit, die mir Trautchen läßt. Es ist ein herziges Geschöpfchen und macht es zu große Freude, zu sehen, wie solch ein kleiner Mensch sich so allmählich entwickelt. Sie probiert jetzt schon sich aufzurichten und greift auch nach Gegenständen. Lacht und jauchzt ganz laut mit ihrem hellen Stimmchen. Sie erweckt das größte Interesse in unserer ganzen Gegend. Ich habe jetzt auch ein Bettchen für sie bekommen von Frau Geh. Rat v. Guérard, vorläufig liegt das winzige Würmchen noch ganz verloren darin, na es wird schon wachsen. Ich bin froh, daß ich Studien habe, durch die ich mich erkenntlich zeigen kann. || Es macht immer entschieden viel Freude.

Die Offiziere, die nach ihrer Verwundung wieder in’s Feld ziehen, kommen immer erst sich verabschieden und dem kleinen Findling das Händchen zu geben, dem kleinen „Russenopferchen“. Einer ist schon 2x verwundet. 1 x bei Tannenberg, das 2 x bei Suwalki, Kopfschuß, diesmal wird es wohl länger dauern. Am 10.X. sind es ja wieder 5 Armeekorps von uns herausgegangen. Für die hat mein Mann mit Pferde aufgetrieben. Sehr teuer 3500 – 3600 das Pferd, bis das Kriegsministerium seine Einwilligung zu dem hohen Preis gab, waren sie fort, da mußte die Suche noch einmal beginnen.

Die Deutschenhetze jetzt in London ist doch auch zu gemein. Wir sind doch immer die Nobeln. Ein Engländer, der Lehrer am Oriental-Seminar der Universität war, waren [!] bei Ausbruch des Krieges die Vorlesungen untersagt, auch sollte das Gehalt am 1. Oct. aufhören. Nun hat er vor 3 Woch. den Bescheid bekommen, daß er wieder Vorlesungen halten dürfte u. sich auch sein Gehalt bis auf Weiteres abholen sollte. Das sind wir – und wie werden die armen Deutschen im || Ausland behandelt! Nun hoffentlich werden wir uns jetzt mit eiserner Faust endlich Respekt verschaffen und mit eisernem Besen unter all den Lügen und Gemeinheiten aufräumen. Wenn der furchtbare Krieg nur nicht gar so lange mehr währen würde und wenigstens in Frankreich jetzt endlich die Entscheidung fallen würde.

Wenn nur die Angst vor dem feigen rechnerischen England nicht so groß wäre, daß wenigstens alle seine Colonien aufstehen möchten. Bereuen wird und muß es sicher bald, uns so abscheulich verraten zu haben.

Der jüngste Grf. Otto von Rechteren ist auch schwer verwundet, ihm ist der Knochen unterhalb des Knies zerschmettert worden. Vor einem Jahr wird er nicht dienstfähig werden. – – –

Vor einiger Zeit erhielt ich von einem || Bekannten beifolgende Karte von Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat. Sie würden mich furchtbar dankbar machen, wenn Sie so gut sein wollten und mir darauf schreiben, wer Ihre Begleiter dort vor dem Zoo waren. –

Für Ihre herzlichen Wünsche für die weitere Entwickelung meines kleinen Pflegling’s danke ich Ihnen noch ganz besonders. Ich hoffe, daß bei sorgsamster Pflege und späterer Erziehung sich Trautchen zu einem guten Menschen entwickeln wird. Ich glaube beinahe, daß man bei einem solch kleinen Würmchen schon sehen kann, ob es einen guten Charakter bekommt oder nicht. Es ist entschieden sehr freundlich und lieb und schreit nie ohne Grund, auch garnicht so furchtbar. Schließlich kann man ja bei eigenen Kindern auch nie wissen, wie sie sich entwickeln werden; || was für verhängnisvolle Eigenschaften von unseren Vorfahren, die wir nicht ahnen können, in ihnen schlummern. Nun – vorläufig hoffen wir das Beste! –

Doch nun, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, bitte empfehlen Sie mich bestens Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin, und seien Sie auf’s Herzlichste gegrüßt, mit einer ergebenen Empfehlung von meinem Mann und alles Liebe und Gute

von Ihrer Sie so hochverehrenden, Ihnen stets treu und innigst dankbar ergebenen

Ella von Crompton

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.10.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4496
ID
4496