Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Grunewald, 10. August 1914.

Berlin-Grunewald, Charlottenbrunnerstr. 4

10.VIII.14.

Hochverehrte Excellenz,

nur ein herzliches Gedenken möchte ich Ihnen senden, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, in dieser schweren Zeit. Ich fürchte beinahe schon seit langem, von Herrn Geheimrat ganz vergessen worden zu sein, da ich seit Monaten nichts mehr von Ihnen gehört habe und ich möchte doch für mein Leben gerne wissen, wie es Ihnen geht, ebenso Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin.

Es ist alles so furchtbar plötzlich || gekommen, sodaß man wirklich noch gar nicht im Stande ist, die entsetzliche Tragweite dieses Weltkrieges abzusehen. Aber Deutschland ist einig – eine ehrliche, warme Begeisterung herrscht überall und der ehrliche, deutsche Sinn, für den es keine Parteien u. deren Haß mehr giebt, wenn es gilt, das Vaterland und Deutschtum zu verteidigen, wird uns doch hoffentlich, wenn wohl auch nach entsetzlichen Opfern, die jeder wird bringen müssen, siegen lassen.

Mein Mann hatte sich gleich freiwillig gemeldet, da er aber über 50 J. [ist er] noch zurückgestellt, doch glauben Alle, daß der Landsturm bis zum 53 J. noch einberufen werden wird. Vorläufig hat er auch hier mehr wie genug zu tun, da fast sämtliche Portiers u. Handwerker || eingezogen sind; auch sämtliche, hier bei uns wohnenden Generalstäbler, die in’s Feld sind, uns ihre Frauen und Kinder anvertraut haben, bis sie ev. wiederkommen, oder bis dieselben nach der Mobilisation zu ihren Angehörigen reisen dürfen. Wir richten hier auch leere Wohnungen und Läden zu Lazarettena ein; und ich werde dann auch die Pflege mit übernehmen. Es arbeitet eben Alles Hand in Hand. Jeder Beruf, Alles liegt sonst brach und ob man noch jemals dazu kommen wird, wer weiß es.

Eine bitter schwere, ernste Zeit für Jeden, es wird sich halt Jeder, wenigstens Viele durchhungern müssen –

Am meisten schmerzt mich der Krieg mit England, daß es da einer solch kleinen Partei gelungen ist, das || unserem Blut und Empfinden am nächsten stehenden Volk zum Krieg zu bringen. Meine beste Freundin ist eine Engländerin, die sagte mir selbst „we fight on the wrong side“. Sie, ihr Mann und ihr Töchterchen können nun natürlich nicht fort. Ihr Gatte ist Filialleiter einer engl. Maschinenfabrik hier und als die Erbitterung hier so arg war, nach der Kriegserklärung hat mein Mann ihnen [die] Ausreise besorgt, für sie Garantie übernommen bei dem Oberstkommandierenden [in] den Marken; daß sie jetzt wenigstens in Sicherheit hier bleiben können. Es ist ja furchtbar, daß unter Mensch und Mensch nun wieder der Nationalitätenhaß entflammt ist, und Alles zerfleischt. Einen Trost hat man nur, daß nach ewigem Gesetz am Ende doch das Gute triumphiert und da wir die Angegriffenen sind, nicht unterliegen können; denn sonst müßte ja in diesem Falle auch gleichzeitig der Glaube fallen, an einen Sieg des Tüchtigsten, Besten.

Alles Gute und Liebe Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, mit besten Wünschen an Ihre hochverehrte Frau Gemahlin, bin ich immer u. stets

Ihre Sie so hochverehrende, Ihnen treu und aufrichtig dankbar ergebene

Ella von Cromptonb

a irrtüml.: Lararethen; b weiter am Rand: treu und … von Crompton

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.08.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4493
ID
4493