Ernst Haeckel an Charlotte und Carl Gottlob Haeckel, Neapel, 18. April 1859

Neapel. 18.4.59.

Liebe Eltern!

Da das einliegende Blatt, das ich an Martens zu schicken bitte, viel Platz weg nimmt, kann ich euch diesmal nur kurz schreiben. Auch ist wenig zu berichten. Die Woche ist unter beständiger Arbeit sehr einförmig verlaufen. Das Wetter war, wie die vorige, fortdauernd schlecht, so daß ich gar nicht hinaus gekommen bin. Nur gestern, am Palmsonntag, Nachmittag, habe ich mit meinem Russischen Hausgenossen, dem Dr. Krause, einen kleinen Spaziergang auf die Höhen des Vomero und Posilipo gemacht. Dieser 30jährige Arzt, der bereits eine große Praxis in Kiew hatte, ist ein recht netter interessanter Mann und wird euch im Juni besuchen. Er ist sehr liberal und wird Dir, lieber Vater, Vieles Interessante über russische Zustände mittheilen können. Leider muß er morgen schon wieder von hier weg. – Diese Woche habe ich auch Gelegenheit gehabt, meine ärztlichen Kenntnisse etwas in Anwendung zu bringen und zwar so gara als „consultirender Arzt“: Die Frau Hauptmann Bloest, nämlich, unsere nette römische Reisegefährtin, ist sehr || bedenklich an einer Gehirnentzündung erkrankt, und Dr. Binz, der sie behandelt, hatte mich auch noch mit hinzugezogen; ja ich schmeichle mir sogar, auf ein Mittel verfallen zu sein, dem wir wesentlich ihre Besserung zuschreiben. Doch dies mehr als Curiosum. Mehrere Nächte haben wir bis spät nach Mitternacht dagesessen und waren auf das Schlimmste gefaßt. Doch geht es jetzt besser. – Anfang der Woche machte ich die Bekanntschaft des sehr liebenswürdigen Prof. Guiscardi, an den mich Martens empfohlen hatte, und mit dem ich auch Visite bei mehreren andern Professoren machten [!], die wir aber nicht trafen. – Einliegenden Brief an Anna schickt gleich, nachdem ihr ihn gelesen, nach Freienwalde, wo sie vermuthlich jetzt sein wird. Hoffentlich bist Du, liebe Mutter, wieder ganz munter und das kommende Frühlingswetter wird Dich wieder ganz gesund machen. Schone Dich nur noch recht. In diesen Tagen hoffe ich einen Brief von euch zu erhalten, worin ihr mir etwas über die Taufe schreibt; ich weiß noch nicht einmal, wie der kleine Neffe heißt. Die nächsten Briefe schickt wieder unfrankirt an die alte Adresse: Sgr. Ernesto Berncastel. Farmacia Prussiana. Largo S. Francesco di Paola N. 7. Es ist sicherer als in dieses Haus.

a gestr.: für jed.; eingef.: so gar

Brief Metadaten

ID
44498
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Italien
Datierung
18.04.1859
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
11,1 x 14,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 44498
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Haeckel, Charlotte; Haeckel, Carl Gottlob; Neapel; 18.04.1859; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_44498