Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Sommerhausen b. Würzburg, 08. Juli 1912.

z. Zt. Sommerhausen b. Würzburg

8.VII.12.

Hochverehrte Excellenz,

von ganzem Herzen hoffe ich, daß es Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, recht gut geht, daß das schöne Wetter Sie recht gekräftigt hat.

Anfang nächster Woche gedenke ich heimzufahren. Frau Erbgräfin bedauert sehr, daß ich nicht länger bleiben will, aber ich habe dann 6 Wochen die Arbeit eingestellt und muß ich wieder Geld verdienen mit den Tafeln; es ist die höchste Zeit. Meine Schülerin, die junge Gräfin hat recht gute Fortschritte gemacht zu meiner großen Freude; sie || kann jetzt schon selbstständig nach der Natur kleine Sachen recht gut und richtig zeichnen und malen. Sie sind hier recht zufrieden mit meinen Erfolgen. Ich würde dann event. Montag Nachm. 3.15 in Jena eintreffen und Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, wenn es Ihnen angenehm ist, gegen 5 Uhr meinen Besuch machen. Am Dienstag würde ich dann mittags nach Berlin weiter fahren. Auch würde ich mir dann erlauben, Ihnen meine hiesigen Studien zu zeigen, um dieselben Ihrem gütigen Künstlerauge zu unterbreiten. Ich werde mir aber noch erlauben, Ihnen vorher noch eine Karte zu senden mit dem bestimmten Tage meiner Ankunft, da ich noch nicht genau bestimmen kann, wann wir hier mit einer größeren Arbeit, || die ich Gräfin Hildegard machen lasse, fertig sein werden.

Dann wollte ich Ihnen noch mitteilen, daß mein Mann eine Hausverwaltung übernommen hat und in meiner Abwesenheit dorthin umgezogen ist. Es ist: Berlin-Grunewald, Charlottenbrunnerstr. 4. Mein Mann hat dort 4 Häuser zu verwalten und dafür haben wir eine freie 4 Zimmerwohnung Hochparterre mit Centralheizung u. Warmwasserversorgung. Das wird zum Winter doch schon eine rechte Hilfe für uns sein; freie Wohnung und Heizung. Vorläufig ist’s ja noch das Gegenteil; denn wir müssen noch unsere Wohnung bis zum Herbst zahlen und haben außerdem noch die Umzugskosten. Es ist aber doch immerhin eine Aussicht. Mein Mann möchte nun sehr gerne in dem einen Zimmer, dasa wir || nicht benützen, mit einem Bekannten, der sehr gute Verbindungen hat, ein literarisches Bureau einrichten. Das heißt, alle Börsennachrichten über Kurssteigerungen und Fälle, sowie alle sonstigen neuesten Nachrichten, an die Provinzzeitungen, und Provinzbankiers und Makler telephonieren, die darauf abonnieren. Das würde nämlich eine ganz einträgliche und aussichtsreiche Beschäftigung; von der man ganz gut leben könnte, besonders da mein Mann doch seines Alters wegen gar keine Stellung oder Beschäftigung findet. Doch gehört auch hierzu wie zu vielem Andern auch immerhin etwas Geld, das wir nicht haben. Denn zur Einrichtung des Telephons, einer Schreibmaschine u. Abonnements verschiedener Zeitungen würde man doch immer 250 – 300 Mk. benötigen und soviel kann ich ja beim besten Willen nicht so schnell || zusammen verdienen und so wird auch dies Projekt nur ein schöner Traum sein. Wenn mein unglücklicher, armer Vater nach seiner 26 jähr. tiefen Umnachtung endlich erlöst sein wird, dann komme ich jab in den Besitz von cirka 12.000 Mk. aber vielleicht es dann schon zu spät; dann ist man vielleicht zu alt und verbraucht u. hat nicht mehr die genügende Elastizität. Es ist doch eigentlich die reine Ironie, meinem armen, unglücklichen Vater nutzt das Geld doch garnichts und doch muß es für ihn zusammengehalten und gespart werdenc, während ich mich um das tägliche Leben quälen muß. Es ist eben der Jammer, daß die Verwandten meines Vaters, mit denen ich meiner Ansichten wegen, ganz auseinander bin und die mich für das || verdammteste Geschöpf halten, die Vormundschaft in Händen haben, auch das Vormundschaftsgericht ganz unter ihrem Einfluß, sodaß ich jährlich nur einen ganz kleinen, den gesetzlich mir zustehenden Zuschuß erhalte. Alle Vorstellungen, Bitten meinerseits sind vollständig erfolglos und bleiben überhaupt unbeantwortet und das Beste ist, sich in das Unabänderliche fügen. Aber es ist doch ein merkwürdiges Schicksal, daß dort Alles zusammengescharrt wird für einen hoffnungslosen, unnützen Kranken, während ich mich quälen muß und mich in keiner Weise rühren kann, geschweige denn irgend etwas anfangen könnte, was Aussicht auf Erfolg, eine || Zukunft böte. – Ach bitte, verzeihen Sie, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, daß ich Ihnen so mein Herz ausgeschüttet habe, aber ich weiß, Sie verstehen mich ganz und da ging es mit mir durch.

Hoffentlich treffen Sie meine Zeilen recht gesund und wohl an und benützen Sie das schöne Wetter fleißig zu Ausfahrten. Mit der Bitte, mich Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin bestens zu empfehlen, bin ich mit den aufrichtigsten Wünschen und herzlichsten Grüßen immer und stets

Ihre Sie hochverehrende, Ihnen stets treu und innig dankbar ergebene

Ella von Crompton

a korr. aus: daß; b korr. aus: hier; c korr. aus: währ

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.07.1912
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4448
ID
4448