Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Albrecht Hase, Jena, 14. März 1917

Herrn Professor Dr. Albrecht Hase / Feldarzt im Feldlazarett 285 / Feldpost 771. (Im Osten).

Jena 14.3.1917.

Lieber Herr Professor!

Indem ich Ihnen für Ihren freundlichen Glückwunsch zu meinem 60-jährigen Doctor-Jubilaeum herzlich danke, drücke ich zugleich meine besondere Freude darüber aus, daß Sie – als einer meiner jüngsten und eifrigsten Schüler – durch Ihre ausgezeichnete Arbeit über die menschlichen Parasiten-Krankheiten (besonders die Läuse-Entwicklung) sich so große und anerkannte Verdienste um die Wissenschaft und unser tapferes Volk erworben haben. Damit haben Sie nicht allein den guten Ruf unserer Jenenser zoologischen Schule erhöht, sondern auch die allgemeine Anerkennung der Zoologie für wichtige sanitäre und praktische Fragen gefördert. |

Der zoologische Unterricht ist in diesem Winter hier von Prof. Plate allein (ohne Assistent) vertreten worden. Der Diener Lüttig ist im Felde u. wird durch Seegy vertreten. Dr. Hirsch ist in Leipzig als Assistent bei Prof. Meisenheimer. Prof. Schaxel arbeitet im Laboratorium m. Binswanger. Im Zoolog. Institut fungiert Frl. Reinold als Bibliothekar. In den ersten Februar-Wochen hatten wir sehr scharfe Kälte: – 12 –16 –20°R. unter 0. – Da ist im Phylet. Museum (das Prof. Plate nicht heizen lassen wollte) ein Teil der Decke gefroren und eingestürzt und hat den mittleren Schrank in der Nord-Hälfte des Primaten-Saals zertrümmert; Schade um die schönen Skelett-Präparate (Schädel etc.).

Nachdem ich am 16.2. in das 84. Lebensjahr eingetreten bin und in meiner Villa

Medusa als lahmer Eremit ganz allein lebe, betrachte ich solche Zufälle (– wie täglich Tausende in dem wahnsinnigen Weltkriege) als mikroskopische Episoden in der blinden Kosmogenese (– „liebevolle Vorsehung!“ –)

Mit herzlichen Grüssen und besten Wünschen

Ihr alter Lehrer Ernst Haeckel. |

[Adresse]

Feldpost. / Herrn Professor / Dr. Albrecht Hase / Feldarzt im Lazarett / z. Z. bei Herrn / Sanitätsrat Dr. Hase / Schmölln / (Hgm. Altenburg).

[Beilage: Drucksache]

Jena (Villa Medusa), 7. März 1917.

Am heutigen Tage sind 60 Jahre verflossen, seitdem ich in Berlin zum Doktor der Medizin promoviert wurde. In Erinnerung daran sind mir zahlreiche freundliche Glückwünsche und Geschenke zugegangen, von treuen Schülern und lieben Freunden, wie von Akademien und anderen Gesellschaften. Meinen hrezlichen Dank dafür sollen diese Zeilen ausdrücken, da ich nicht im Stande bin, ihn allen Einzelnen persönlich abzustatten. Besonders erfreut hat mich beim Rückblick auf mein vielbewegtes Leben die rege Teilnahme so vieler denkender Menschen an meiner wissenschaftlichen Lebensarbeit; insbesondere an deren Hauptaufgabe, der Reform unserer einheitlichen Weltanschauung auf Grund der neuen Entwickelungslehre. Wärmsten Dank allen treuen Mitarbeitern.

Ernst Haeckel. |

„Die Keimesgeschichte (Ontogenie) ist eine kurze und schnelle Rekapitulation der Stammesgeschichte (Phylogenie)“. (Biogenetisches Grundgesetz).

„Generelle Morphologie“,

1866, Kap. 26.

„Universum perpetuum mobile“!

(Substanz-Gesetz, Monistische Kosmogenie und Entwicklungslehre, Pantheismus und Gott-Natur.)

„Welträtsel“, 1899, Kap. 12, 13.)

Herzlichen Dank und Gruss!

Jena 14.3.1917.

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.03.1917
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Schmölln
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 44345
ID
44345