Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Mosbach, 14. April 1909

Mosbach b. Wutha (Kr. Eisenach.)

14. April 09.

Hochverehrte Excellenz,

Ihre so guten, lieben Zeilen habe ich gestern mit großer Freude und innigstem Dank erhalten, jedoch mit tiefem Bedauern daraus erfahren, daß die schwere Krankheit, die Sie, hochverehrter, guter, lieber Herr Geheimrat, überstanden, Sie so furchtbar mitgenommen hat. Es tut mir so weh, daß Sie noch so angegriffen sind, und wünsche ich Ihnen aus aufrichtigstem Herzen recht, recht baldige, vollständige Genesung und daß dieselbe Ihnen, guter, lieber Herr Geheimrat, doch auch wieder Ihre sonnige Heiterkeit und tatkräftigen Mut wiederbringen möchte.

Sie, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheim-||rat haben so viel Tausenden Lebensbejahung und Zuversicht gebracht, bitte denken Sie doch nur immer daran, und wieviel Reichtum und Segen Sie uns Allen durch Ihre Lebensarbeit gebracht haben und bitte, lassen Sie sich doch durch diese Gedanken ein wenig aufrichten bei all den Widrigkeiten und Krankheiten, die in der letzten Zeit auf Sie eingestürmt sind.

– „Wir leiden ja Alle ein Leben.“ –

Bitte verzeihen Sie mir, daß ich dies Alles so offen sage, aber es schmerzt mich so entsetzlich, Sie darnieder gedrückt zu wissen. Ich bedaure lebhaft, daß ich kein Mann bin, um diesen gemeinen Menschen, die Ihnen Ihren Ruhm und die Liebe der Menschen nicht gönnen, einige Worte aus „König Lear“ zuzurufen, die Kent zum Haushofmeister sagt, im Anfang der 2. Scene des 2. Aufzuges. || Es ist ja aber eine traurige Tatsache, daß die ungeheure Mehrzahl der Menschen stets bereit ist, den über den Schwarm emporragenden Mitmenschen eins anzuhängen. Das liegt aber in der Natur des ungebildeten wie des gebildeten Pöbels, daß man sich wirklich nicht darüber aufzuregen braucht. – Bitte seien Sie mir nur nicht böse, lieber, guter, Herr Geheimrat, daß ich Ihnen so viele meiner Gedanken mitteile und Sie damit störe, aber ich möchte Sie auch noch herzlichst bitten, sich doch recht in Acht zu nehmen und sehr zu schonen, damit Ihre schwere, schmerzhafte Erkrankung nicht wiederkommt. Ich sorge mich so sehr, ob es Ihnen auch behaglich und gesund genug in dem Neubau des „Phyletischen“ sein wird. –

Sehr bedaure ich es auch, daß keine Räume im „Phyletischen“ für die Bilder || zur Verfügung stehen, doch bitte sorgen Sie sich nicht darum, lieber, guter Herr Geheimrat. So gerne hätte ich Ihnen ja mein Bestes gegeben, – doch Strauß sagt ja wohl: „Wer Gutes empfangen, der darf nicht verlangen, daß nun sich der Traum ins Unendliche webt.“ – Es macht mich doch stets sehr stolz und glücklich, daß Sie überhaupt bei der Ausführung an mich gedacht haben. Sollten Sie aber jemals doch etwas für das „Phyletische“ gebrauchen, so bitte ich Sie, stets an mein Anerbieten zu denken, Ihnen, hochverehrter Herr Geheimrat, und dem „Phyletischen“ so etwas malen zu dürfen.

Daß die Ehrengabe auch nicht so ausgefallen ist, glaube ich, lag auch viel nicht nur an dem guten Willen u. Interesse, als auch an den Naturereignissen, erst die Erdbeben, dann die Überschwemmungen, da war wohl || der Zeitpunkt gerade ungünstig.

Daß Sie, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, auch weiter mir Ihr gütiges Interesse zuwenden wollen und die Sache im Auge behalten, danke ich Ihnen herzlichst. Ebenso, daß Sie mir in den nächsten Wochen die so gütig versprochenen Bücher senden wollen. Ich freue mich schon so sehr, sehr darauf und bitte Sie nur noch in aller Bescheidenheit, lieber, guter Herr Geheimrat, doch auch so gut zu sein, und mir in Ihre Werke die versprochenen Widmungen zu schreiben.

Wie rührend lieb und gut von Ihnen, daß Sie die Absicht hatten, mir auch einen Frühlingsgruß zu senden, ich hätte mich ja zu sehr über eine Blume von Ihnen, hochverehrter, lieber Herr Geheimrat gefreut. Bei uns regnet es nun schon seit 2 Tagen und wenn es auch der ganzen Natur sehr gut tut, wirkt es zu trostlos und fürchte ich || nur, daß Ihnen, lieber Herr Geheimrat, das nasse Wetter auch nicht gut tun wird. Hochverehrter Herr Geheimrat, ich habe neulich gelesen, daß Sie im Sommer ein 1 stündiges Kolleg über Protistenkunde abhalten werden. Verhält sich dies so? Wenn es wirklich der Fall wäre, möchte ich für mein Leben gerne, auch daran Teil nehmen mögen.

Außerdem möchte ich Sie gerne fragen, ob, wenn ich einmal wieder nach Jena käme, Sie mir gestatten würden, Sie im „Phyletischen“ aufsuchen zu dürfen, wenn ich Sie nicht störte.

Nun bitte ich Sie aber sehr, mir nicht böse zu sein, daß ich Ihnen soviel kostbare Zeit geraubt habe (– mit Bangen fing ich den zweiten Bogen an –) aber ich möchte Ihnen doch noch so recht innig danken für Ihre so große Güte, die Sie mir immer erzeigen. Wirklich, Sie können sich gar nicht denken, was Ihre Freundlichkeit für mein Leben bedeutet, || welch unsagbar große Freude Sie mir durch Ihre Zeilen bereiten.

Mit allerinnigstem Dank für Alles, wünsche ich Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, daß Ihnen der kommende Frühling vollständige Genesung und Ihre alte Frische wiederbringen möchte.

Mit hochachtungsvollen, herzlichsten Grüßen, bin ich stets

Ihre Sie so hochverehrende, Ihnen treu ergebene, aufrichtig dankbare

Ella v. Crompton geb. Gewert.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.04.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4377
ID
4377