Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Pieter Harting, Jena, 1. Juli 1868 [Abschrift]

Jena 1. Juli 1868

Hochverehrter Herr College!

Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank für die grosse Freude entgegen, welche Sie mir gestern durch die telegraphische Mittheilung des Erfolges meiner Preisschrift bereiteten. Wenn ich auf diesen glücklichen Erfolg schon vorher hoffte, so geschah dies hauptsächlich im Hinblick auf die ontogenetischen Thatsachen, welche mir eine sehr glückliche Beobachtungsreihe während meines Aufenthaltes auf den canarischen Inseln vor Augen führte. Ihre Gesellschaft hat vielleicht meine Verdienste bei dieser Arbeit zu hoch geschätzt, indem sie mich ausser der Ertheilung des Preises auch noch zu ihrem Ehrenmitgliede ernannte. Auf jeden Fall bin ich der Gesellschaft für diese Ehre sehr dankbar, und werde stets bestrebt sein, mich derselben würdig zu erzeigen.

Ich werde der Gesellschaft, der ich nun anzugehören die Ehre habe, selbst noch meinen ergebensten Dank auszusprechen.

Ihr „Leerboek der vergelijkende Ontleedkunde“, von dem Sie so gütig waren, mir die „Morphologie der Wirbelthiere“ und das erste Stück der Insekten zu übersenden, hat mich sehr angesprochen und ich bedaure nur, dass es noch nicht ins Deutsche übersetzt ist. Bei uns fehlt es ganz an guten Handbüchern und Lehrbüchern, da fast alle Zoologen und Botaniker sich in lauter Kleinigkeits-Krämerei zersplittern. Für die ehrenvolle Erwähnung, welche Sie meiner Morphologie zu Theil werden lassen in dema „Voorberigt“ zu den Wirbelthieren (S.IX) bin ich Ihnen sehr verbunden. Im Ganzen ist mein Buch sehr wenig gelesen worden. Es ist zu breit geschrieben und durch die viele Polemik sehr entstellt. Ich bedaure dies jetzt sehr, als einen pathologischen Ausfluss meiner damaligen sehr gereizten Stimmung. Was die „Promorphologie“ betrifft, so ist Ihr Tadel zum Theil sehr gerechtfertigt. Doch glaube ich, dass ich Sie bei mündlicher Diskussion davon überzeugen könnte, dass ein richtiger Kern meiner Idee zu Grunde liegt.

Gegenwärtig bin ich mit dem Druck einer populären „Schöpfungsgeschichte“ beschäftigt, welche ich Ihnen in etwa zwei Monaten zusenden werde. Von der „Monographie der Moneren“, welche ich kürzlich in der Jenaischen Zeitschrift veröffentlichte, hatte ich leider nur wenige Abdrücke und konnte Ihnen keinen senden.

Ich erlaube mir, Ihnen meine Photographie beizulegen, und darf dagegen um Übersendung der Ihrigen bitten.

Mein Freund Gegenbaur lässt sich Ihnen bestens empfehlen.

Indem ich Ihnen meinen Dank wiederhole, bleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr ganz ergebener

Ernst Haeckel.

a irrtüml.: den

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
01.07.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Rijksmuseum voor de Geschiedenis Leiden
ID
43728