Anonym an Ernst Haeckel, o. O., o. D.

Erklärung über den Erbschleicher!

Eine Begebenheit, welche sich vor einigen Jahren hier in Cincinnati zutrug, veranlaßte mich den „Erbschleicher“ zu schreiben. – Hier starb nämlich damals ein alter deutscher Gärtner Meier mit Namen, mit Hinterlassung eines einzigen Kindes. – Seine Frau machte bereits, „Wohlversehen mit den heiligen Sterbesakramenten“, den Zersetzungsprozeß in „Geweihter Erde“ durch. – Der überlebende Sohn (ein junger Mann) und einzige natürliche Erbe der etwa 700000 Dollar betragenden Erbschaft, war zwar kein Verschwender wie der verlorene Sohn in der Bibel, verkehrte jedoch zum großen Ärgera des Herrn Pastors mit Ketzern etc und wie das Testament geöffnet wurde auf dem Gericht, war der Sohne enterbt bis auf die gesetzlichen $ 500. – Alles andere von dem Nachlaß war der betreffenden deutschen katholischen Kirche vermacht, zu welcher der alte Meier gehört hatte. – Menschenfreunde nahmen sich der Sache des jungen Mannes an, klärten ihn auf und es kam vor das Gericht, wo dem jungen Mann von den Geschworenen der ganze väterliche Nachlaß zugesprochen wurde. – Pfaff und Kirche bekamen keinen cent. – In seiner Herzensfreude schrieb der Erzketzer Wilkening den „Erbschleicher“. Wenn ich auch etwas von dem Original abweiche, da ich die Frau meines Erblassers als Wittwe ihren Mann überleben lasse, damit es der Pater für ihn „ihr besorgen kann“. Man kennt ja die Herren!

Solche Vermächtnisse kommen hier oft vor, hauptsächlich für Messen, denn es giebt hier viele irländische und plattdeutsche Katholiken und der Erzbischof ist plattdeutsch. || Letzten Sommer war der Erzbischof der Diözese von Cincinnati Heinrich Möller, ein Plattdeutscher, welcher das Deutsche und das Deutschthum nach seinen beßten Kräften zu unterdrücken sucht, in Palaestina, Oberamergau, Rom beim Papst. – Während seiner Abwesenheit starb eine kinderloseb gewisse Wittwe Bin, welche nebst anderem $ 50000 an katholische Priester vermachte und bestimmte, daß der Erzbischof die Namen von 5 Priestern zu bestimmen habe, welche am würdigsten seien, je $ 10000 zu bekommen; bei seiner Rückkehr. – Leibliche Verwandte klagten und ich glaube die Geschworenen haben den Herrn Erzgauner der Mühe der Auswahl enthoben. –

Die Herren Sonntags- und Temperanz-Mucker, die Methodisten, sind zwar die größten Feinde der Katholiken und suchen dieselben auszurotten. Ob aber die Welt etwas dabei gewinnt, bezweifle ich. – Ich las ein Mal in einer Naturgeschichte, daß früher die Welt mit einer kleineren schwarzen Ratte geplagt war, da kam die große rotbraune Wanderratte per Schiff aus Asien, vertrieb die kleine schwarze Ratte überall oder fraß dieselbe auf. – Sind wir dadurch gebessert. Ich glaube nicht! Ratten! Ratten, Ungeziefer! So ist Katholizismus und Methodismus. Beide suchen die Erde zu beherrschen, und jeden freien Gedanken auszurotten; ganz besonders im „freien?“ Amerika. –

a eingef.: Ärger; b eingef.: kinderlose

Brief Metadaten

ID
43699
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
o.O. (vermutl. aus Cincinnati, Amerika)
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
14,2 x 22,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 43699
Zitiervorlage
Anonym an Haeckel, Ernst; o.O. (vermutl. aus Cincinnati, Amerika); https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_43699