Anonym an Ernst Haeckel, [Berlin, 21. April 1915]

Sehr geehrter Herr Profeßor!

Es werden wohl viele Briefe schon an Ihre Adreße gelangt sein, die Ihnen Ihren Ruhm verkündigten. Dieser Brief von einem einfachen Menschenkind geschrieben bringt Ihnen etwas Herrlicheres.

Es war am Sonntag vor 8 Tagen, als ich eine Evangelisationsrede anhören durfte; (ich bin eine geistig wiedergeborene Christin) da wurde gesagt, man solle beten für die Menschen, die nichts von einem Gott u. Heiland wissen wollten, da mußte ich an Ihnen Herr Profeßor denken u. ich halte es für meine Pflicht, Ihnen Herr Profeßor an || Ihrem Lebensabend an unsern alten u. immer neuen allmächtigen Gott zu erinnern. Ich betete für Sie Herr Profeßor zu unsern Vater im Himmel, Er möge Sich Ihrer gnädig erbarmen u. Ihnen die Erkenntnis schenken, daß Gott u. nur immer Gott es ist, der die Natur geschafft hat u. erhält. Er, unser Gott gab auch Ihnen den großen Geist, die Natur zu erforschen, doch den Schöpfer derselben zu verlieren dabei, dazu gab der Herr Ihnen diese Gabe nicht. Ich habe trotz meiner Niedrigkeit viel von Ihnen gehört, auch manches gelesen, doch wie weh’ tut einem das, wenn man sich sagen muß, dieser große Geistesheld hat dabei Alles verloren. || Alles verlorena bedeutet Gott verloren, wie es in seinem Spruch heißt. Nicht allein Sie Herr Profeßor haben Gott verloren, auch viele Menschen sind dadurch arm geworden, denn auch Sie haben das höchste Gut verloren, „Ihren Gott“.

Beiliegendes Zeugnis soll Ihnen die frohe Botschaft bringen, daß unser Vater im Himmel gnädig Sich erbarmt hat über einen solchen armen Menschen, u. das andre Zeugnis soll Ihnen sagen, wie ein gläubiger Mensch stirbt. O selig in den Herrn zu leben u. zu sterben. –

Eh’ ich diesen Brief schrieb, bat ich den Herrn auf den Knien für Sie um Erbarmen u. Gnade. Er gab mir das Wort auch für Sie Jesaja 43. Ach bitte lesen Sie es mal Herr Profeßor u. unser Gott || wird Sich Ihnen herrlich offenbaren. Ach, bitte erkennen Sie diesen Brief als ein aufrichtiges Mahnen an, Gott u. nur Gott zu suchen in allen Ihren großen Naturbeschreibungen. Er war, Er ist, Er bleibt der alleinige Schöpfer aller Kreaturen.

Gottes Sohn, unser Heiland Jesus Christus, der für uns Alle Sein teures Blut dahingab, Er erlöse auch Sie von Allen Ihren Sünden u. führe Sie den Vater zu, dafür will ich herzlich beten u. bitten zu Gott u. meinen Heiland.

Suchen Sie den Herrn u. Er läßt sich finden. Psalm 34. 5–9.

Der Herr helfe Ihnen Herr Profeßor!

Es grüßt Sie ein armes, aber von den Heiland erlöstes Menschenkind u. volles Genüge dadurch hat.

a eingef.: verloren

Brief Metadaten

ID
43688
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
21.04.1915
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
11,5 x 17,8 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 43688
Zitiervorlage
Anonym an Haeckel, Ernst; Berlin; 21.04.1915; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_43688