Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an das Großherzogliche Staatsministerium zu Weimar, Jena, 25. März 1866

Großherzogliches Staats-Ministerium!

Jena den 25n März 1866.

Gesuch des Directors des Großherzoglichen zoologischen

Museums um Erhöhung des ordentlichen jährlichen Etats

des Museums.

Das Interesse, welches das hohe Staatsministerium dem Gedeihen der zoologischen Studien an der Universität Jena zugewendet und welches dasselbe im vorigen Jahre durch Gründung einer ordentlichen Professur für dieses Lehrfach aufs Neue bethätigt hat, sowie der thatsächliche Aufschwung, den die zoologischen Studien hierselbst || in den letzten Jahren genommen haben, veranlassen mich, dem hohen Staatsministerium eine Bitte vorzulegen, welche ich schon in früheren Berichten gelegentlich berührt habe. Es ist dies der Antrag auf Erhöhung des ordentlichen jährlichen Etats des Großherzoglichen zoologischen Museums.

Wie dem hohen Staatsministerium bekannt ist, beträgt der ordentliche Jahres-Etat des Großherzoglichen zoologischen Museums, seit mir im Frühjahr 1862 die Direction desselben mit einem Gehalte von einhundert Thalern übertragen wurde, einhundert und vierzig Thaler. Diese Summe, welche auch bei der im vorigen Jahres stattgefundenen Begründung einer ordentlichen Professur der Zoologie nicht erhöht wurde, reicht nicht aus zur Befriedigung der Bedürfniße, welche mit dem jährlich wachsenden Aufschwung der zoologischen Studien an unserer Universität und der ebenso zunehmenden Benutzung des zoologischen Museums für den Unterricht jedes Jahr stärker hervortreten. An sich schon gering im Verhältniß zu den beträchtlichen Kosten, welche die nothwendige Vervollständigung der Sammlung und die Ausfüllung der beim || Unterricht empfindlich fühlbaren Lücken derselben erfordert, wird die kleine Summe von 140 rℓ noch dadurch beschränkt, daß auch die Kosten der Heizung und Reinigung des zoologischen Auditoriums und Arbeitszimmers davon mit gedeckt werden müssen.

Die vielen und wesentlichen Umgestaltungen in den baulichen Verhältnißen, in der innern Einrichtung, in der Bereicherung des Museums mit neuen Objecten und in der neuen Anordnung und Aufstellung der Gegenstände, welche seit meinem Amtsantritt ausgeführt wurden, haben mir seit dieser Zeit mehrfach Veranlassung gegeben, das hohe Staatsministerium um außerordentliche Geldbewilligungen zur Förderung dieser Zwecke zu ersuchen, und dasselbe hat meine darauf bezüglichen Anträge mit einer Munifizenz und Liberalität genehmigt, für welche ich demselben hiermit meinen besten Dank wiederhole. Insbesondere ist es möglich geworden, durch die im Herbst 1865 gütigst bewilligten 300 rℓ. zur Bezahlung der neuen Schränke und 100 rℓ. zur Anschaffung von Conservationsmitteln die von meinem Vorgänger begonnene und von mir durchgeführte Reorganisation des ganzen Museums vollständig abzuschließen, so daß dasselbe jetzt in einer völlig neuen und wesentlich erweiterten Form dasteht. Obwohl nun hierdurch der in den letzten Jahren bestan-||dene Bedarf an außerordentlichen Ausgaben wegfällt, so macht sich dagegen das von mir mit jedem Jahre lebhafter empfundene Bedürfniß einer Erhöhung des ordentlichen Etats jetzt um so mehr geltend.

Um für einen Vergleich mit andern zoologischen Sammlungen mittlerer Größe einen Anhaltpunkt zu gewinnen, habe ich von den mir befreundeten Directoren einiger anderer zoologischer Museen mir deren Etat mittheilen laßen, und erlaube mir zunächst dem hohen Staatsministerium diese Data anzuführen. Es beträgt der regelmäßige Jahresetat der zoologischen Museen (ausschließlich des Directorial-Gehalts):

I.) in Bonn 910 rℓ. (wovon 300 rℓ. Gehalt für den Präparator, 210 rℓ. für den Diener, 400 rℓ. für das Museum)

II.) in Göttingen 880 rℓ. (wovon 360 rℓ. Gehalt für einen Präparator und einen Assistenten). Vom nächsten Jahre an soll derselbe aber auf 1200 rℓ. erhöht werden.

III.) in Tübingen 843 rℓ. (1057 fℓ.)

(in folgender Vertheilung 650 fℓ. Präparator, 175 fℓ. Diener, 100 fℓ. Heizung, 10 fℓ. Schreibmaterialien, 100 fℓ. Anschaffung neuer Cabinets-Gegestände, || 125 fℓ. Conservation des Vorhandenen, 200 fℓ. Instrumente, Gläser und Conservationsmittel, 115 fℓ. für Tagelohn und verschiedene außerordentliche Arbeit.

IV. in Heidelberg 630 rℓ. (1115 fℓ.)

(wovon 400 fℓ. Präparator, 715 fℓ. Museum, doch ist für letztes eine Erhöhung auf 1100 fℓ. beantragt.)

Es beträgt also, abgesehen von dem Gehalt des Präparators, Conservators und des Dieners, der lediglich zur Conservation und Vermehrung der Sammlung bestimmte ordentliche Etat in: Göttingen 520 rℓ., in Heidelberg 408 rℓ., in Bonn 400 rℓ., in Tübingen 372 rℓ.

Da die Universität Jena, bei welcher der gleiche Etat nur 140 rℓ. beträgt, in Bezug auf den durchschnittlichen Besuch von Studirenden der Naturwissenschaften sich den genannten 4 Universitäten mittleren Ranges wohl gleichstellen kann, und da namentlich die Zahl der Studirenden, welche Zoologie hören, gegenwärtig in Jena 1.) mehr als auf den meisten anderen deutschen Universitäten beträgt (‒ 1) Im verflossenen Wintersemester betrug die Zahl der Zuhörer in den Vorlesungen über Zoologie hierselbst (incl. des nicht eingeschriebenen Assistent) 40, wovon 18 Mediciner, 11 Studirende der Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften, 9 Pharmaceuten, 2 Theologen.‒)a, 2.) so || darf wohl ein vergleichender Maßstab auch an die unentbehrlichen Hülfsmittel, welche doch im Verhältniß zu den wirklichen Leistungen stehen sollen, gelegt werden, und in dieser Beziehung schon eine Etats-Erhöhung für das Großherzogliche zoologische Museum zu Jena gerechtfertigt erscheinen. (‒ 2) Auf den preußischen Universitäten (wo seit einigen Jahren höchst bedauerlicher Weise die Zoologie als Bestandtheil des medicinischen Studiums officiell eliminirt ist) beträgt die durchschnittliche Zahl der Zuhörer (auch auf den größeren) gegenwärtig ungefähr einhalb Dutzend, oft weniger, selten mehr.‒)b

Meines Wissens ist der Etat hier geringer, als auf irgend einer anderen deutschen Universität, und es läßt sich dies bis zum vorigen Jahre dadurch erklären, daß hier nicht, wie au allen anderen Universitäten, die Zoologie, gleich der Botanik, Gegenstand eines besonderen ordentlichen Lehrstuhls, sondern vielmehr mit der Mineralogie zur „Naturgeschichte“ verschmolzen war, und erst später (1850?) eine außerordentliche Professur dafür geschaffen wurde. Seitdem nun ein hohes Staatsministerium durch die im vorigen Jahre erfolgte Begründung einer || ordentlichen Professur für Zoologie an hiesiger Universität selbst die Nothwendigkeit anerkannt hat, letztere hierin den übrigen Universitäten gleichzustellen und die Zoologie als ordentliches Lehrfach mit den coordinirten Lehrstühlen der Botanik, Mineralogie, Physik und Chemie auf gleiche Höhe zu erheben, wird daßelbe es gewiß gerechtfertigt finden, auch eine entsprechende Vermehrung der Hülfsmittel dieses Studiums, und also namentlich des ordentlichen Etats der Sammlung eintreten [zu] laßen. Da daßelbe bereits durch die im vorigen Jahre auf meine ergebenste Bitte erfolgte Begründung eines zoologischen Instituts seine Neigung hierzu zu erkennen gegeben hat, darf ich mich der Erfüllung dieser ergebensten Bitte wohl versichert halten.

Da die Direction des Großherzoglichen zoologischen Museums und das als Universitäts-Attribut || bestehenden und bisher noch mit keinem ordentlichen Etat ausgestatteten zoologischen Institutes immer in den denselben Händen vereinigt sein wird, und da in letzterem auch das Material des ersteren beständig benutzt wird, so wird es vielleicht dem hohen Staatsministerium zweckdienlich erscheinen, aus äußeren Rücksichten der Dotation für beide ineinandergreifende und thatsächlich nicht zu trennende Institute einen getrennten ordentlichen Jahres-Etat aufzustellen, deßen Vertheilung auf einzelne Kapitel und deßen Gesammthöhe zu bestimmen ich natürlich ganz dem weisen Ermessen des hohen Staatsministeriums anheim geben muß. Doch ist es vielleicht nicht zu unbescheiden, wenn ich, mit Rücksicht auf obige Data, das hohe Staatsministerium ersuche, den ordentlichen Etat für beide Anstalten zusammen || (für das zoologische Institut und das zoologische Museum) auf jährlich vierhundert Thaler festzusetzen.

Schließlich darf ich mir wohl noch erlauben dem hohen Staatsministerium mit einigen Worten die verschiedenen Bedürfniße namhaft zu machen, welche ich vorzugsweise durch die gegenwärtige Erhöhung des Etats zu befriedigen beabsichtige. Dabei muß ich auf die Zwecke zurückgehen, welche eine zoologische Sammlung mittleren Ranges wie die unsrige, erfüllen kann und soll. Die zoologischen Museen der größeren Universitäten erfüllen einen doppelten Hauptzweck, erstens centrale Stapelplätze für Ansammlung eines möglichst umfaßenden wißenschaftlichen Untersuchungs-Materials zu sein, welches nicht bloß die einheimischen, sondern auch die auswärtigen Gelehrten zu benutzen genöthigt und berechtigt sind. Zweitens sollen dieselben Bildungsanstalten für die Naturkenntniße || des Volkes sein. Beide Zwecke können die zoologischen Museen der mittleren und kleineren Universitäten nicht verfolgen. Vielmehr treten bei diesen zwei andere, bei jenen zurücktretende, Hauptzwecke in den Vordergrund. Sie sollen erstens bei den zoologischen Vorträgen als unentbehrliche Hülfsmittel des Unterrichts dienen, und zweitens den einheimischen Gelehrten und zunächst den Docenten der zoologischen Lehrfächer, sowie den unter ihrer Leitung arbeitenden Studirenden, Material für ihre eigenen Untersuchungen liefern.

Was nun das Verhältniß unseres hiesigen zoologischen Museums zu diesen beiden Hauptzwecken, dem Lehrzweck und dem Zweck des Selbststudiums betrifft, so entspricht daßelbe dem ersteren insofern, als daßelbe zwar ärmer an einzelnen Arten, aber reicher an typischen Thierformen der verschiedensten Abtheilungen ist, als die meisten übrigen zoologischen Museen. Und gerade hierin liegt ein großer Vorzug. Denn es kommt meines Erachtens beim || zoologischen Unterricht nicht darauf an, den Studenten möglichst viel verschiedene einzelne Arten vorzuführen (wie allerdings die meisten Zoologen glauben), sondern ihnen durch Vorzeigung und Hervorhebung aller typischen Formen einen geordneten Ueberblick über alle wesentliche Erscheinungsformen des thierischen Lebens zu geben.

Während unser Museum nun in Betreff der Wirbellosen in dieser Beziehung seit Einverleibung meiner Privatsammlung reichhaltiger ist, als die meisten anderen zoologischen Museen, so fehlen dagegen noch viele wesentliche (und namentlich die selteneren und kostbaren) Typen der Wirbelthiere, auf deren Anschaffung ich vorzugsweise bedacht sein werde.

Was ferner den zweiten Hauptzweck betrifft, die Beschaffung der Vorräthe von Thieren in Weingeist, welche sowohl zu den eigenen Untersuchungen des Directors, als zu denjenigen der Studirenden, die unter seiner Leitung im Institute arbeiten, unentbehrlich sind, so erscheinen diese in unserer Sammlung verhältnißmäßig noch sehr gering, || und gerade auf deren Vermehrung und allseitige Ergänzung würde ich den größten Theil des Etats verwenden.

Da es dem hohen Staatsministerium bekannt ist, daß die wißenschaftliche Zoologie, wie sie sich in den letzten Decennien entwickelt hat, nicht mehr die todte Museums-Zoologie der früheren Zeit ist, welche sich mit der Beschreibung der trockenen ausgestopften Bälge der Wirbelthiere, Häuten der Insecten pp beschäftigte, sondern vielmehr sich die ungleich höhere Aufgabe stellt, auf anatomisch-physiologischem Wege zur tieferen Erkenntniß der gesammten Organisations-Verhältniße, des sogenannten „Bauplans“ der Thiere zu gelangen, und da zu deßen Studium nur die in Weingeist aufbewahrten ganzen Thiere benutzt werden können, so brauche ich zur Rechtfertigung dieser Auffaßung wohl nichts weiter hinzuzufügen.

Nur darauf darf ich wohl schließlich noch aufmerksam machen, daß die Ausstopferei der Thiere, welche früher || allgemein für das Wichtigste der Zoologie galt, nach dieser Ansicht nur eine sehr unwesentliche Nebensache ist. Ich verzichte daher vollständig auf die Anstellung eines besonderen Ausstopfers, wie sie an den meisten Museen noch jetzt für unentbehrlich gilt, um so lieber, als sowohl ein solcher Arbeiter, als auch die Arbeit des Ausstopfens selbst, die Beschaffung der Bälge pp. sehr beträchtliche Summen erfordert und dabei einen unverhältnißmäßig geringen Gewinn bringt. Das Wenige, was von ausgestopften Thieren für den Unterricht noch fehlt, erwerbe ich billiger, wenn ich die bereits fertig gestopften Bälge kaufe. Die so ersparten Summen werde ich zur Sammlung von besonders für das Studium nutzbaren Thieren in Weingeist verwenden und zur Aufbewahrung derselben in Gläsern mit eingeriebenen Glasstöpseln, welche zwar beim Ankauf theurer als andere Gläser, dadurch aber auf die Dauer || viel vortheilhafter sind, daß sie nicht die bei letzteren unvermeidlichen großen Verluste von Weingeist gestatten, und daß die Thiere sich in ihnen, wegen des beßeren Verschlußes, weit beßer conserviren.

Den Mangel derjenigen typischen Thierformen, welche ich nicht in natura den Studirenden vorführen kann, ersetze ich in meinen Vorlesungen durch Abbildungen, die ohnehin für die mikroscopischen Thiere nicht zu entbehren sind. Bisher habe ich die meisten derselben selbst angefertiget. Da das Copiren jedoch sehr viel Zeit erfordert, und ebenso von jedem gedankenlosen Zeichner erfolgen kann, so wäre es mein lebhafter Wunsch, eine Anzahl von Wandtafeln für den Unterricht anfertigen zu laßen, wie dies auf anderen Universitäten (z. B. Berlin, Göttingen, Würzburg) durch eigens || dazu bestellte akademische Zeichner geschieht. Da hier in Jena ein Zeichner existirt, welcher solche Tafeln verhältnismäßig billig herstellt, so würde ich auch hierzu mit hoher Genehmigung des hohen Staatsministeriums einen beträchtlichen Theil des erhöhten Etats verwenden.

Indem ich mich der Hoffnung hingebe, daß das hohe Staatsministerium auf meine, aus dringendem Bedürfniß entsprungene Bitte eingehen werde, bleibe ich mit vorzüglichster Verehrung

Eines hohen Staatsministeriums

ergebenster

Dr. Haeckel

Director des Großherzoglichen zoologischen | Museums.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Datierung
25.03.1866
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Weimar
Besitzende Institution
LATh-StA Gotha
Signatur
Staatsministerium, Dep. I, Loc. 6 p, Nr. 25, Bd. 1, Bl. 10r-17r
ID
43326