Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Ernst Schweninger, Jena, 27. Juli 1892

Jena 27 Juli 92

Hochverehrter Herr College!

Heute in größter Eile ein paar sehr wichtige vertrauliche Mittheilungen. Vor 3 Tagen eben ist durch den Preußischen Gesandten in Weimar (− wohl auf directen Caprici-Ukas. −) ein starker Druck auf unsere Regierung in der Richtung ausgeübt worden, daß die Bismarck-Feier in Jena keinen officiellen Character bekommen dürfe und namentlich nicht a die Universität (deren Rector der Großherzog ist) als solche officiell Theil nehme. Natürlich hat dieser Eingriff in unser akademisches Selbstbestimmungs-Recht eine derart entgegengesetzte Wirkung ausgeübt, und wir bestehen um so mehr darauf, daß die officielle Begrüßung des Fürsten durch die große Senats-Deputation in Ornat (− das Feierlichste was wir bieten können –) ganz in den Vordergrund trete. Nun weigert sich aber der Prorector ( − ein ängstlicher Jurist −) kategorisch, mit der Deputation auf dem Markte zu erscheinen, da der Senats-Beschluß auf Begrüßung im Baeren laute. Es bleibt jetzt nun folgende Alternative: I. Fürst Bismarck empfängt die Senats-Deputation Samstag Abends im Baeren, im großen Saal, vor oder nach dem Fackelzug. Die Ansprache des Prorector wird kurz sein (5–10 Min.) – die Antwort des Fürsten noch kürzer, oder ganz nach Belieben. Dieser Modus I hat den Vorzug, daß die Zeit von 8–8 ½ oder 8¾ ausgefüllt wird; die Bergfeuer sollten nicht früher als 8¾ oder 9 Uhr gesehen werden. ||

II. Fürst Bismarck empfängt die Senats-Deputation im großen Baeren-Saal Sonntag Vormittags 11 oder 11½ Uhr, unmittelbar vor der Fahrt zum Markte; er bräuchte die Treppe nicht noch einmal zu steigen, und bloß ein paar Worte zu erwidern; dann steigt er gleich in den Wagen. Dieser Modus II hat den Vorzug der größeren Feierlichkeit; aber die disponible Zeit ist verglichen Samstag-Abend als Sonntag Mittag zu gemessen. ||

J. 27/7 92

II.

Der große Baeren-Saal ist für die feierliche Begrüßung, bei welcher sich das ganze Corpus academicus (60–70 Docenten) der großen Deputation anschließen soll, unerläßlich. Ein völlig bequemer Zugang − ohne Treppen – wird ebener Erde (zwischen Fichten-Grün) für den Fürsten vom Thorweg, resp. Hof aus hergerichtet, und mit Teppichen belegt. || − Da diese Frage für die Universität höchst wichtig ist, bitte ich Sie dieselbe morgen früh nach Empfang dieser Zeilen alsbald zu entscheiden und mir sofort per Telegramm mitzutheilen: Erster oder zweiter Modus. Wie mir scheint, liegt es auch im Interesse des Fürsten selbst, daß die officielle Begrüßung unsrerseits möglichst zum Ausdruck komme und so glänzend als möglich ausfalle. || Die Universität Jena ist fast einstimmig (mit ein paar Ausnahmen unter 80 Docenten) für unser Unternehmen begeistert, und stolz darauf, die erste deutsche Universität zu sein, welche dem unsterblichen Baumeister des Deutschen Reichs eine glänzende Sühne für die schmachvollen Kränkungen seitens der grünen Jungen und Thorheits-Neider in Berlin darbietet. − || − Wenn das Wetter so herrlich bleibt, wie heute, wird unser Bismarck-Fest wunderbar werden! Die Theilnahme wächst in einem Maaße, welche unsre hohen Commissionen fast erdrückt! − Ihr Telegramm habe ich Fürbringer, der schon an Sie geschrieben hatte, eben mitgetheilt. Der Bürgermeister Singer ist ganz vortrefflich und Alles verspricht großartig zu werden!

Auf frohes Wiedersehen am Samstag, mit herzlichsten Grüßen,

in Eile

Ihr Ernst Haeckel

a gestr.: als

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.07.1892
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Bundesarchiv Berlin
Signatur
N 2281/54: Haeckel, Ernst, Bl. 16r-19v
ID
43250