Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Gerhard Rohlfs, Jena, 19. Mai 1884

Jena 19 Mai | 1884.

Hochverehrter Herr Hofrath!

Hoffentlich ist Ihnen und Ihrer verehrten Frau Gemahlin die gestrige General-Versammlung der Geographischen Gesellschaft gut bekommen, und haben die kleinen Mißklänge, welche den heiteren Ton des Festes trübten, bei Ihnen keinen Schatten hinterlassen. Bei mir ist dieses leider nicht der Fall und möchte ich Ihnen in dieser Beziehung folgende Eröffnung machen. ||

Die rücksichtslose und nach meinem Gefühl nicht anständige Art und Weise, in welcher Herr Professor Hausknecht mir als derzeitigem Präsidenten der Geographischen Gesellschaft wiederholt entgegentrat und meine Vorschläge gänzlich unberücksichtigt ließ, haben mich veranlaßt, das Praesidium niederzulegen. Es ist Ihnen vielleicht entgangen, in welche unangenehme Lage mich Herr Prof. Hausknecht dadurch brachte, daß er den von Vielen getheilten und von Hrn. Geh. Rath Stichling ausdrücklich wiederholten || Wunsch eine Änderung der Tages-Ordnung schroff abwies. Sicher wäre es im Interesse der Sache sehr wünschenswerth gewesen, die Vorträge von allgemeinem Interesse, vor Allen Ihren eigenen über das Rothe Meer, sodann diejenigen von Herrn Schwabe über Olympia und von Hrn. Schmid über die Erdbeben, voran gehen zu lassen, statt mit dem „Saathafer“ anzufangen und mit den „Zaubermitteln“ zu endigen. Herr Prof. Hausknecht, als derzeitiger Vorsitzender des botanischen Vereins, wies indessen meine dagegen gerichteten Vorstellungen ebenso schroff zurück, wie diejenigen gegen den Massen-Schub von 8 Ehren-Mitgliedern. ||

Ich bedaure sehr, daß ich gestern meine Auffassung nicht energischer geltend machte, und möchte Sie freundlich bitten, bei Gelegenheit mich deßhalb bei Sr. Excellenz, Herrn Geh. Rath Stichling ehrerbietigst zu entschuldigen. Ich habe bei dieser Gelegenheit wieder gesehen, wie wenig ich persönlich für solche Praesidien tauge. Sollten auch anderweitig die gestern empfundenen Übelstände gerügt werden, so stelle ich Ihnen anheim, von diesem Schreiben beliebigen Gebrauch zu machen.

Indem ich mich freue, Sie hoffentlich bald mit Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin hier begrüßen zu können, bleibe ich mit freundlichen Grüßen

Ihr ergebenster

Ernst Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
19.05.1884
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Museum Schloss Schönebeck Bremen
Signatur
RA 19.72
ID
42907