Krüger, Willy

Willy Krüger an Ernst Haeckel, London, 22. Februar 1909

29 Canton Road

Shepherd’s Bush

London W. d 22/II 1909

Hochverehrter Herr Professor!

Gestatten Sie einem Ihrer begeistertsten, wenn auch noch jungen, Anhänger, zur Vollendung Ihres 75. Geburtstages nachträglich aus dem Lande Darwins seine aufrichtigsten und ehrfurchtvollen Glückwünsche zu übersenden! Möge Ihnen, sehr verehrter Herr Professor, ein freundlicher, ruhiger Lebensabend beschieden sein, in dem Sie sich ausruhen von der erfolgreichsten, großen Arbeit langer Jahre!

Ich möchte Sie nicht mit vielen Worten belästigen und Ihre Zeit in Anspruch nehmen, doch seien Sie versichert, daß diese wenigen Worte von gan-||zem, aufrichtigsten und für Sie begeisterten Herzen kommen, von einem jungen deutschen Manne, der sich seit Jahren bemüht, Ihre Lehren und die Erfolge Ihrer Arbeit für seine innere und äußere Bildung und geistliche Entwicklung auszunützen und dessen ganzes Inneres stetig nach Wahrheit und Befreiung ruft und verlangt.

Vor 7 Jahren, in meinem 18. Lebensjahre fiel mir zuerst durch Zufall Charles Darwins Entstehung der Arten in die Hände. Und bald fiel es wie Schuppen von meinen Augen. Obgleich noch jung und von der Natur a mit keiner großen Begabung ausgestattet, versuchte ich mit allen Kräften, in die Wahrheit hineinzudringen. Und wenn es mir gelungen ist, oft mit schweren inneren Kämpfen, meine Weltanschauung zu einer in sich abgeklärten und von allem || Kinderglauben befreiten, klar vor meinem Augen stehenden Gebilde zu gestalten, so verdanke ich es vor Allem Ihnen, sehr verehrter Herr Professor. Haben doch das eifrige und tiefe Studium Ihrer „Welträtsel“, „Lebenswunder“ u. a. vor drei Jahren die letzten Zweifel in mir verschwinden lassen. Glauben Sie aber nicht, daß ich meine „Weisheit“ nur aus Büchern schöpfe, obgleich ich sehr viel lese – ich beherrsche außer einigem Lateinisch und Griechisch 4 lebende Sprachen –, so sind doch Bücher nur für mich da um meine Gedanken zu leiten und auf mich einwirken zu lassen.

Wie ich in Allem mich gebe, wie ich denke und fühle, so habe ich auch meine unerschütterlichen Überzeugungen stets frei und offen nach außen vertreten, dadurch auch schon eine Stellung im katholischen Rheinland verloren. Ja ich habe nicht vor dem ziemlich gefährlichen || Experiment gescheut, meine Braut allmählich zur Erkenntnis und zum Nachdenken zu bringen, was schon heute die schönsten Erfolge zeigt. Ich hoffe so in bescheidenem Maße mit mir und meiner späteren Familie zum wahren Ziele der Menschheit beizutragen.

Sie werden verzeihen, wenn ich als ein Ihnen völlig unbekannter Mensch, von meinem Streben und Zielen gesprochen habe. Es sollte ein kleiner Beweis meiner Anhänglichkeit sein, leider fehlt mir die Gabe, meine Gedanken in die richtigen Worte kleiden zu können.

Indem ich Sie bitte, sehr geehrter Herr Professor, diese Zeilen als Zeichen meiner ehrfurchtsvollen Verehrung und begeisterten, tiefen Anhänglichkeit hinnehmen zu wollen, verbleibe ich

Ihr

ganz ergebener

Willy Krüger

Mitglied des Deutschen Monistenbundes

und member of the R. P. A.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.02.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 42691
ID
42691