Ernst Haeckel an Wilhelm Bölsche, Jena, 12. Januar 1918
Jena 12.1.1918.
Lieber Freund!
Auf Deinen lieben Besuch in der ersten Februar-Woche freue ich mich sehr! Schreibe mir nur, bitte, den Termin Deiner Ankunft einen Tag vorher, damit ich Dein Zimmer ordentlich heizen und für genügenden Kriegs-Proviant sorgen kann; die Ernährung und Heizung stößt in Jena leider jetzt auf große Schwierigkeiten. Ich werde sie aber überwinden!
Mit meiner Gesundheit geht es seit dem Herbst immer mehr abwärts. Das morsche alte Herz, das nun bald seit 84 Jahren ununterbrochen seine Muskelfasern kontrahiert, streikt und will nicht mehr ordentlich arbeiten. Daher die üblichen Leiden der „Altersschwäche“, Arterienverkalkung etc. Glücklicherweise sind Augen und Gehirn noch in erträglicher Verfassung. || Den kommenden Frühling und Sommer hoffe ich noch einmal (zum letzten mal) zu genießen. Dann folgt im Herbst die ersehnte „Ewige Ruhe“, zu der ich schon jetzt alle Vorbereitungen treffe.
Sehr froh bin ich, daß ich die Kristallseelen noch habe vollenden und damit meiner 60jährigen Lebensarbeit einen monistischen Abschluß geben können. Daß Du damit so zufrieden bist, freut mich ganz besonders. Wir wollen darüber mündlich noch Mancherlei plaudern, besonders über unsere liebe „Radiotik“!
Mit besten Wünschen für Deine Vortragsreise an der Westfront
Auf frohes Wiedersehen!
Dein treuer
Ernst Haeckel.