Engelmann, Emma

Emma Engelmann an Ernst Haeckel, Berlin, 15. Februar 1916

Berlin W. 15

Knesebeck-Straße 52.II.

15. Februar 1916

Verehrte Excellenz,

meine Gedanken richten sich auf Sie und besonders an dem Gedenktage, der meinem theuren Willy und mir so lieb und bedeutungsvoll war und ist. Die jetzige Zeit ist so kummervoll, daß man um so mehr || der Lichtpunkte bedarf und sich eines leuchtenden Wegweisers freut. Sie sind der Welt und Ihren Freunden im Besondern diese feste Burg geworden mit dem Namen, den mein lieber Willy einmal in einer Rede gebraucht hat: Sonnengott. So werden Sie auch trotz Ihres Schmerzes um den || schweren Verlust nicht ermatten, sondern der Menschheit zum Vorbild ein Lebenskünstler bleiben. Daß Ihre liebe Enkelin Else Meyer bei Ihnen ist, wird gewiß ein Trost und eine Freude für Sie sein.

Traurig ist es mir zu hören, daß der grauenvolle Krieg auch in Ihrem nächsten Kreise schwere Opfer gefordert hat. || Wann wird dieser entsetzliche und unbegreifliche Massenmord ein Ende nehmen? Er spottet aller Kultur und Nächstenliebe! Mein guter Willy sagte wohl einmal: Der Mensch ist die größte Bestie. Dieser Mensch ist wohl jetzta – Mr. Grey! – Ach, die Politik war mir immer so unerquicklich, weil lügenhaft; und bei der Lüge kann nichts Gutes heraus kommen. Eigentlich – meinte Willy – || sollte es in der Bibel heißen: „Die Lüge ist die Wurzel alles Uebels.“ – Nur Wahrheit kann Ruhe, Frieden und Seligkeit bringen.

Ich danke Ihnen, daß Sie gern an die „gute alte Zeit“ zurückdenken, an das Zusammensein in Holland und Jena. Wie haben Sie die Stunden zu unvergessenen || für uns gemacht!

Mit herzlichem Gruß, in treuer Verehrung,

Ihre

ergebene

Emma Engelmann.

a eingef.: jetzt

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.02.1916
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4234
ID
4234