Engelmann, Emma

Emma Engelmann an Ernst Haeckel, Berlin, 7. November 1911

BERLIN W. 15

KNESEBECKSTRASSE 52/53.

7. November 1911

Liebe Excellenz,

Längst wollte ich Ihnen schreiben und fragen wie Ihr Befinden ist und ob Sie sich von dem Unfall ganz erholt haben, was ich von Herzen hoffe. Ich komme nun zu einer Angelegenheit, die mich recht bekümmert und die ich Ihnen, als langjährigem Freunde meines || theuren Mannes und als Autor unserer Firma mittheilen möchte. Meine Söhne haben sich genöthigt gesehen, gegen den Chef der Verlagsbuchhandlung Wilhelm Engelmann, Herrn Dr. Reinicke, auf Ausschließung aus der Firma zu klagen; sie haben festgestellt, daß Dr. Reinicke durch verfehlte Unternehmungen in wenigen Jahren die Liquidität der Firma enorm verschlechtert hat, so daß die || Firma, statt wie noch vor fünf Jahren, mit großem Bankguthaben zu arbeiten, eine beträchtliche Bankschuld aufnehmen mußte. Außerdem war die Kostenführung und die Buchführung zu beanstanden, die deutsche Treuhandgesellschaft mußte für drei Jahre die Bücher nachprüfen und entdeckte viele Fehler. – Der Prozess schwebt nun seit Anfang Mai und dürfte spätestens wohl am 1. Juli 1912 sein Ende erreichen, || da dann meine Schwägerin, Frau v. Bezold, und meine Nichten aus der Firma ausscheiden; Herr Dr. Reinicke ist aber nach dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet, sich den Anordnungen der übrigen Gesellschafter ohne weiteres zu unterwerfen. Er wird also ausscheiden, aber dann sicherlich von meinen Söhnen überall Schlechtes reden, obwohl diese sich wirklich nur schweren || Herzens dazu entschließen konnten. Aber es muße geschehen, da sonst in absehbarer Zeit die alte Firma zu Grunde gerichtet wäre! Meine Bitte an Sie geht nun dahin, Sie möchten unserer Firma, auch wenn nur noch meine Söhne daran betheiligt sein werden, Ihr alter Wohlwollen erhalten; und falls etwa Herr Dr. Reinicke || Ihnen Ungünstiges berichtet, lassen Sie Sich dann bitte von meinem Sohn Willy das viele hundert Seiten umfassende Aktenmaterial vorlegen, das unserer Klage gegen Herrn Dr. R. zu Grunde liegt und bei Gericht unter Beweis gestellt werden soll. Verzeihen Sie, daß ich Ihnen diese unerquickliche Angelegenheit mittheilte; aber Ihnen Klarheit || darüber zu geben lag mir zu sehr am Herzen. –

Wann werde ich die Freude haben Sie einmal wiederzusehen? Es ist mir ein beglückendes Bewußtsein, daß mein lieber Mann noch einige behagliche, erquickende Stunden mit Ihnen in Wildungen zubringen konnte. Wie hat er sich über das Zusammentreffen mit Ihnen gefreut! – ||

In alter treuer Ergebenheit grüßt Sie

Emma Engelmann.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.11.1911
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4225
ID
4225