Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Bölsche, Jena, 4. November 1899

Jena 4.11.99.

Samstag Morgen.

Lieber Herr Bölsche!

Soeben erhalte ich Ihren Brief vom 22.10, von Rom nachgeschickt. Ich beeile mich Ihnen Ihre Frage zu beantworten.

Darwin kannte ich bis 1860 nur durch seine Reisebeschreibung, die mir als Gymnasiast (1848–52) eines meiner drei theuersten Bücher war (– neben Humboldt’s „Ansichten der Natur“ und Schleidens „Pflanze und ihr Leben“ –) ||

Darwins Hauptwerk erschien 1859, während ich in Italien war (von Jan. 59 bis April 60). Als ich Anfang Mai 60 nach Berlin zurückkehrte, hörte ich, daß „ein ganz verrücktes Buch“ von D. erschienen sei, worin er die Species-Constanz leugne! Schon beim ersten Lesen packte es mich gewaltig; da aber alle Berliner Größen (– mit einziger Ausnahme von Alexander Braun –) in der Verwerfung einig waren, blieb meine Vertheidigung desselben wirkungslos. ||

Erst als ich bald darauf (Juni 60) Gegenbaur in Jena (– behufs meiner Habilitation) besuchte, athmete ich auf, und die eingehenden Gespräche mit ihm bestärkten mich definitiv in meiner Überzeugung von der Wahrheit des Darwinismus, resp. Transformismus.

Näheres hoffentlich bald mündlich!

Meinen Brief von vorgestern werden Sie erhalten haben.

Mit herzl. Grüßen in Eile

Ihr E. Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.11.1899
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Biblioteka Uniwersytecka we Wroclawiu
Signatur
Handschriftenabteilung, Böl.Hae.61
ID
42190