Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Bölsche, Jena, 23. Mai 1899

Jena 23.5.99.

Lieber Herr Bölsche!

Nach der schönen Bastei sende ich Ihnen und Ihrer lieben Frau herzliche Grüße, mit dem Wunsche, daß Sie dort recht schönes Pfingstwetter genießen. Bei uns hier sind leider alle drei Pfingsttage verregnet, dabei recht kalt! Hoffentlich trägt das herrliche Frühlingskleid der Natur – hier sehr blüthenreich – dazu bei, Sie und besonders Ihre arme Frau über den schmerzlichen Verlust meines lieben Pathchens zu trösten und zu beruhigen. ||

Die beabsichtigte Pfingstreise nach München habe ich aufgegeben. Ich hatte einen leichten Anfall von Herzschwäche, (wie schon im vorigen Jahre) und muß mich dann ganz ruhig halten. Auch habe ich mich definitiv entschließen müssen, alle auswärtigen Vorträge etc aufzugeben. Aus diesem Grunde habe ich heute einen gewünschten Vortrag, den ich im nächsten Winter in der „Urania“ halten sollte, abschreiben müssen. || Ebenso habe ich die angebotene Ehre, an Stelle von Büchner das Praesidium des Deutschen Freidenker-Bundes zu übernehmen, dankend abgelehnt. Wenn Sie mich nächstens hier besuchen, bin ich hoffentlich wieder ganz frisch. Am besten kommen Sie bald, da unsere reiche Orchideen-Flora in den nächsten Wochen am schönsten ist. Leider haben wir in unserer kleinen Villa kein Logis-Zimmer frei, so daß selbst unsere Leipziger Kinder bei ihren || hiesigen Besuchen im Hôtel wohnen müssen. Ich werde aber in einem der nahe gelegenen Hôtels (Stern oder Deutsches Haus) ein gutes Zimmer für Sie besorgen.

Das II. Heft der „Kunstformen d. N.“ sende ich Ihnen in nächster Woche.

Mit herzlichen Grüßen an Sie und Ihre liebe Frau

Ihr alter

E. Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
23.05.1899
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Biblioteka Uniwersytecka we Wroclawiu
Signatur
Handschriftenabteilung, Böl.Hae.57
ID
42185