Zarnik, Boris

Boris Zarnik an Ernst Haeckel, Würzburg, 24. Februar 1909

Würzburg, 24/2. 09.

Euer Exzellenz, hochgeehrter Herr Geheimrat!

Verzeihen mir, bitte, Euer Exzellenz, wenn ich mir erlaube Sie mit diesen Zeilen zu belästigen. Ich hätte eine grosse Bitte an euer Exzellenz, ich möchte allerdings darum ersuchen, meine Bitte nur zu berücksichtigen, wenn Ihnen kein Zeitverlust und keine Unannehmlichkeit daraus erwächst.

Euer Exzellenz kennen mich ja als einen Ihrer Schüler, die stets begeistert zu der Fahne des Monismus gehalten haben. Ich suchte auch in meinem Vaterlande, in Krain, für den Monismus stets Propaganda zu machen und schon seit 5 Jahren schreibe ich für das grösste freisinnige Blatt in Krain, für den „Slovenski Narod“ (in slowenischer Sprache erscheinend) Aufsätze, worin ich auf das entschiedenste für die moderne monistische Weltanschauung auftrete. Allerdings war der Erfolg bis jetzt gering, weil das Land noch sehr im Banne des Ultramontanismus steht. Anlässlich des 100ten Geburtstages Darwins sandte ich dem Blatte „Slovenski Narod“ einen längeren Artikel über Darwin und seine enormen Verdienste für die Wissenschaft. Anstatt dieses meines Artikels erschein jedoch am 12. Febr. in dieser Zeitung ein anderer, äusserst schäbiger und minderwertiger Aufsatz. Worin Sätze vorkommen wie: „Dem Darwinis-||mus können wir heutzutage nicht im vollen Masse beipflichten“ „Darwin war nach der gegenwärtigen Anschauung eigentlich kein Gelehrter“ und ähnlicher Blödsinn. Vom Redacteur erhielt ich einen Brief, mein Artikel sei leider zu spät eingetroffen, man könne ihn jetzt leider nicht veröffentlichen, da bereits ein anderer Artikel über Darwin im Blatte erschienen sei. Ich geriet darob in grossen Zorn, besonders entrüstete mich begreiflicherweise jener schäbige Artikel, worin Darwin als ein Naturforscher zweiter Güte dargestellt wird. Es erscheint nun in Laibach noch ein grosses Konversations Blatt „Slovence“ betitelt, dessen Redacteur trotz verschiedener politischer Anschauung mit mir persönlich sehr befreundet ist und der mich schon oft gebeten hatte, ich möge auch ‘mal was wissenschaftliches für sein Blatt schreiben. Ich hielt es für meine Pflicht jenen Behauptungen über Darwin entgegenzutreten und, da das liberale Blatt meinen Artikel nicht veröffentlichen wollte, blieb mir nichts anderes übrig als mich an die konservative Zeitung zu wenden. Ferner hatte ich schon lange die Absicht, die Gelegenheit, dass mein Freund dort Redakteur ist, auszunützen und die conservativen Kreise für die moderne Weltanschauung zu gewinnen suchen.

Ich schrieb daher einen Artikel betittelt „Darwin und die Weltanschauung“ und sandte ihn an das Konservative Blatt. Ich suchte in diesem Artikel zu zeigen, dass die Deszendenz- und Selektionslehre an sich eigentlich mit jeder Weltanschauung verträglich sinda und wies auf den Jesuiten Wasmann hin (im Sinne Ihrer Berliner Vorträge), um so die Conservativen anzulocken. Ich zeigte, dass die Deszendenzlehre eine natur-||wissenschaftliche Tatsache ist, deren Wahrheit jederzeit bewiesen werden kann, dass sie mithin von jeglicher Philosophie unabhängig ist u. s. w. Ferner betonte ich in dem Artikel die Grösse Darwins als Gelehrter und stellte ich mitb Newton in eine Reihe. Ich schloss den Artikel mit den Worten: „Wenn es mir gelungen ist, zu zeigen, dass die Lehren Darwins naturwissenschaftliche Theorien sind, welche nicht im mindesten einer religiösen Anschauung widersprechen, wenn es mir vielleicht gelungen ist, auch bei den katholisch gesinnten Slovenen ein Interesse für die Schriften dieses grossen Genius zu wecken, so kann ich sagen, dass meine Zeilen ihren Zweck erfüllt haben.“

Der Artikel, der ja eine Falle für die katholisch denkenden ist, wurde in dem konservativen Blatte wirklich voll abgedruckt, allerdings mit dem Vermerk, dass die Radaktion mit meinen Anschauungen nicht übereinstimmt. – Zu meiner grossen Befriedigungc brachte bald darauf auch das liberale Blatt meinen grossen Artikel über Darwin und der Oberredakteur entschuldigte sich bei mir wegen dieser Verspätung. –

Meine Absichten, die ich durch den Artikel im konservativen Blatt verfolgte, scheint man leider ganz verkannt zu haben, denn ich bekam schon mehrere Briefe, worin mir vorgeworfen wird, ich hätte meine Anschauungen gewechselt, ich wäre unaufrichtig etc. (deswegen weil ich behaupte, dass die Deszendenzlehre an sich mit jeder Weltanschauung vereinbar sei). Ja, ein Verwandter schrieb mir sogar, ich sei ein Gesinnungslump! – Euer Exzellenz können begreifen, wie furchtbar mir derartige Vorwürfe weh tun, wo ich doch stets || das Beste gewollt, wo ich doch immer für den Monismus eintrete.

Ein einziges Wort von Euer Exzellenz könnte alle diese so ungerechten Vorwürfe zu nichte machen. Ich weiss es, es ist eine grosse Verwegenheit, dass ich mir erlaube, Euer Exzellenz darum zu bitten. Doch, da ich überzeugt bin, dass dadurch der monistischen Bewegung in Krain, deren Führer ich sozusagen bin, sehr genützt wird, bin ich so frei, Euer Excellenz zu ersuchen, wenn möglich, mir einige Zeilen – an die liberale Zeitung „Slovenski Narod“ adressiert – zu übersenden, worin etwa ausgedrückt ist, dass jenes mein Vorgehen, einen Artikel in der Zeitung „Slovence“ (konservativ) veröffentlicht zu haben, um so auch diese Kreise für die Deszendenzlehre zu gewinnen, gebilligt wird. Ich würde diese Ihre Zeilen zugleich mit einer neuerlichen Erklärung über meine monistische Weltanschauung dem liberalen Blatt „Slovenski Narod“ in Laibach einsenden und dadurch wäre jenes mir ganz unbegreifliche Missverständnis beigelegt. (Das Blatt „Slovenski Narod“ ist die grösste in slowenischer Sprache erscheinende Zeitung und in jeder Beziehung ein sehr fortschrittlich gesinntes Blatt, worin ich, wie gesagt, schon eine Menge von Artikeln über den Monismus veröffentlicht habe).

Ich weiss, dass es eine grosse Verwegenheit ist, Euer Exzellenz so sehr zu belästigen, aber ich kann Euer Exzellenz versichern, dass dadurch der monistischen Bewegung in Krain sehr genützt werden würde. Mich Euer Exzellenz bestens empfehlend zeichne ich mit grösster Hochachtung

Ihr Ihnen stets ergebener Schüler

Boris Zarnik.

a eingef.: sind; b eingef.: mit; c eingef.: Befriedigung

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
24.02.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 42115
ID
42115