Engelmann, Emma

Emma Engelmann an Ernst Haeckel, Utrecht, 29. Oktober 1890

Utrecht, d. 29/10 90.

Verehrtester Professor und geliebter Adoptiv-Vater!

Wo soll ich anfangen und aufhören mit danken; nachdem Sie das Füllhorn Ihrer Güte in solchem Maße über uns ausgeschüttet haben! Daß dieser Fest- und Freudentag meine Haeckelitis befördern mußte – kein Wunder || diese hat dann auch seitdem solche Dimensionen angenommen, daß Prof. Rosenberg und Salzer sich heute Abend zu einer Consultation einfinden werden. Die Erscheinungen dieser hochgradigen Erregung sind Ihnen natürlich längst bekannt u. können für Sie nichts Merkwürdiges haben. Hier erwecken sie jedoch einige Besorgniß, weil die Haeckelitis auch epi-||demisch zu werden droht! Ich selbst finde den Zustand nicht bedenklich, empfinde die ungewöhnliche Temperatur als „beseligenden Rausch“, muß allerdings constatiren, daß das Quecksilber noch im Steigen begriffen ist, weshalb die Herren Aerzte diese neue Erscheinung mit Aufmerksamkeit und Spannung verfolgen! Sie ahnten wohl, daß Sie helfend u. heilend eingreifen mußten || und schickten als unfehlbares Mittel Ihr wundervolles, unvergleichliches Bildniß. Im Anblick dieses beglückenden Vermächtnißes versunken, bringe ich Ihnen meinen tiefgefühltesten Dank. Es wird das schmerzliche Gefühl der Trennung mildern, wenngleich ich’s von Herzen beklage, daß wir das Glück nicht ergreifen konnten, mit Ihnen im Paradiese vereint zu sein, || daß wir nur zu gern die Aepfel und übrigen Freuden des Paradieses mit Ihnen genossen hätten – wer könnte das bezweifeln! Aber die Pflicht gebot mir zu schweigen, den Geliebten gewähren zu lassen und nicht eignen Gelüsten zu folgen! So stimme ich nun mit Ihnen ein Klagelied an, bis daß neue Freuden meiner warten, die Sie uns durch Ihren lieben Besuch in Leipzig geben werden. || Und Alles, was ich sonst noch auf dem Herzen habe, fasse ich zusammen in den Wunsch, daß Sie mir ein kleines Plätzchen in Ihrem Herzen bewahren und mir erlauben mögen, mich als Ihre Adoptivtochter zu nennen.

Ihre

ewig dankbare,

durch Sie beglückte

Haecklina!

Die Eisenacher Rede habe ich natürlich schon auswendig gelernt und sage Ihnen auch dafür heißblütigen Dank! –

[Nachschrift von Theodor Wilhelm Engelmann]

Na, na, na! Temp. 41.5, Puls 130!

Dr Engelmann

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
29.10.1890
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4188
ID
4188