Engelmann, Theodor Wilhelm

Theodor Wilhelm Engelmann an Ernst Haeckel, Utrecht, 29. Oktober 1890

Utrecht 29.10.90

Lieber Freund!

Ein Füllhorn von Gaben hast Du, wie ein König, über uns ausgeschüttet. Ich werde Mühe haben, auch nur ein diomedisches Gegengeschenk für Dich zusammen zu bringen. War doch schon Deine Gegenwart, wie kurz auch, für uns eine Gabe, die uns noch auf lange hinaus || zu Freude u. Dankbarkeit stimmen wird. Es bedurfte neuer Beweise nicht, die Du nun doch, in Deiner unerschöpflichen Güte, uns zuwendest! Die ganz herrliche Photographie prangt bereits auf dem Schreibtisch meiner Frau, eine der Lithographien von 78 habe ich meinem physiologischen Laboratorium zugedacht, wo Du in guter Gesellschaft hängen sollst. Ganz besonders danke ich Dir aber für die köstliche Phaeodarien-Arbeit, die so unglaublich wunderbare Dinge enthält. Hier muß auch der || Kaltblütigste, der Blasierteste, den Standpunkt des nil admirari verlassen. Welche morphologischen u. physiologischen Probleme stecken hier u. in wie schöner Form verborgen! Mit Genuß las ich auch wiederum Deinen „Ursprung u. Entwickelung der thierischen Gewebe“ u. freute mich an der virtuosen Combination analytisch-induktiver und synthetisch-deduktiver Methode, die Dir gestatteta mit wahrhaft apollinischer Heiterkeit die His-Kölliker-Waldeyerschen Nebel- und Schwabeleien zu verjagen. Leider erfährt man, je älter man || wird, um so häufiger u. bestimmter, daß die Grenzen des Königreichs Borneo nicht enger werden wollen. Heitere Resignation bleibt somit das Beste u. – Hoffnung auf bessere Zeiten! So bin ich auch sehr gespannt auf den Erfolg, den Deine zu erwartende Beleuchtung von Hansens marine-biologischen Danaidenarbeiten auf die Betheiligten haben wird. An blendenden Lichtern u. kräftigen Schlagschatten wirst Dus gewiß nicht fehlen lassen. Aber das Dunkel ist groß! Welche Mönchsarbeit!

Von den Duplikaten die Du so gut warst zu || senden, wird glaube ich Rosenberg am Besten von meinen hiesigen Collegen Gebrauch machen können. Ich werde sie ihm daher heute in Deinem Namen senden. Hast Du gelegentlich noch eine von den 78er Lithographien, so würde ich gern davon Gebrauch machen, Jemand glücklich zu machen.

Wie lebhaft mir während u. nach Deiner Anwesenheit unser gutes Jena vor Augen gestanden hat, wie verlockend die einstige Aussicht, an einem Ort mit Dir leben und || schaffen zu können, mir wieder vor die Seele trat, ahnst Du wohl kaum. Und doch würde ich, zum zweiten Mal vor die Entscheidung gestellt, nicht anders handeln als das erste Mal. Es ist gut, daß man nicht der bloßen Sympathie im praktischen Leben folgen darf. Ohne behaupten zu wollen, wie Du gar zu bescheiden urtheilst, daß ich, Jena mit Utrecht vertauschend, vom Pferde auf den Esel kommen würde, fühle ich doch wie viel Gutes und Großes in jeder Beziehung des || Dasein auch hier bietet. Da Du jetzt Holland, unseren Kreis, unser Leben näher kennen gelernt hast, wirst Du begreiflich finden, wenn ich nicht jede, auch eine mir übrigens so höchst sympathische Gelegenheit, wie damals die Jenenser, benutzte um in mein Vaterland zurückzukehren. Sehr leid thut mir nur, daß die Entfernung von hier zu Euch zu groß ist, um einen auch nur einigermaßen regelmäßigen persönlichen Verkehr zu ermöglichen. Wir wollen indeß thun was in unseren Kräften steht u. nehmen uns einst-||weilen vor, bei der ersten Gelegenheit dem Jugs unserer Herzen zu folgen. Ob diese Gelegenheit sich schon in diesen Weihnachtsferien oder erst im Sommer bieten wird, weiß ich nicht, werde aber Alles thun sie zu beschleunigen. Vielleicht können wir dann zugleich die Vollendung der 4ten Aufl. der Anthropogenie in festlich gehobener Stimmung auf Forst, Felsenkeller oder Schweizerhöhe begehen! Die Fidelität möchte dann aber bedenkliche Dimensionen annehmen, Euphrosyne den der Adoptivtochter schuldigen Respekt vielleicht gar vergessen!?

Jendenfalls behalte lieb Deinen Dir treu u. dankbaren Herzens ergebenen

Th. W. Engelmann.

a korr. aus: gestattete

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
29.10.1890
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4187
ID
4187