Theodor Wilhelm Engelmann an Ernst Haeckel, Utrecht, 9. Oktober 1890
Utrecht 9 Oktober 90.
Lieber Freund!
Eigentlich sollte ich mit „Hochzuverehrender Herr Geheimer Hofrath“ anfangen, da Du mich a – offenbar unter dem Einfluß der höfischen Haager Atmospähre – so höflich gar „Sie“ titulirst. Ich bringe es aber nicht fertig u. hoffe Du wirst mirs zu Gute halten in alter Gesinnung!
Unsere Briefe haben sich sehr nett gekreuzt. Durchläuchting so wie ich hatten bereits vor einigen Tagen || nachdem wir von der Feier des 15. Oktober gehört, freudig bewegte Bittschreiben an Dich nach Jena abgehen lassen u. nun kommt – in spontaner Harmonie derb Geister – die Antwort, die keine Antwort sein konnte.
Es versteht sich von selbst, daß wir Dich mit Freuden in Utrecht empfangen werden u. nur bitten wir recht herzlich, es nicht bei „einigen Stunden“ bewenden zu lassen, sondern uns einige Tage zu gönnen. Ohnehin wirst Du Dich von den Amsterdamer Anstrengungen einiger-||maßen erholen müssen, ehe Du Dich wieder in Jena blicken lassen kannst.
Außerdem aber und andererseits vermögen auch wir der Verlockung nicht zu widerstehen, Deiner Einladung Folge zu leisten u. würden gern Dich bei Deinem (auch von mir seit lange sehr hochgeschätzten u. verehrten) Herrn Vetter aufsuchen. Ich kann aber nur Donnerstag (d.i. übermorgen) oder Sonnabend. Paßte Dir einer von beiden Tagen, so kämen wir gern u. bitten dann nur um ein Wort, welche Stunden wir wählen sollen. || Kannst Dus einrichten, daß wir ohne meinen verehrten Collegen Hubrecht zusammen sind, werde ich Dir dankbar sein. Unsere Familien sind leider durch bedauernswerthe Umstände genöthigt sich möglichst zu meiden, was mir persönlich mit Rücksicht auf meine sonst u. bisher immer sehr angenehmen Beziehungen zu H. sehr leid thut. Dies im Vertrauen.
Meine Frau schickt einstweilen die allerdurchläuchtigsten Grüße u. freut sich auf baldiges Wiedersehen nicht minder wie Dein alter
Th. W. Engelmann.
a gestr.: so; b korr. aus: des