Emma Engelmann an Ernst Haeckel mit Nachschrift von Theodor Wilhelm Engelmann, Leipzig, 3. Januar 1884
Leipzig, d. 3/1 84.
Lieber Herr Professor!
Sie sammeln feurige Kohlen auf mein Haupt! Durchläuchting ist über die zweite liebenswürdige Sendung ganz gerührt und möchte dabei am liebsten alle Etiquette vergessen! „Denn was thue ich mit dem Dank u. allen schönen Worten ohne Innigkeit?!“ Um Ihnen nun recht zu zeigen, wie sehr Sie mich erfreut haben, und wie dankbar ich Ihnen bin, muß ich Sie aber sehen. Denn mit der Kratzfeder, womit ich augenblicklich schreibe, und der spärlichen Tinte (Schwiegermutting hat nicht mehr im || Hause) läßt sich wenig anfangen. Nun will ich Ihnen nur kurz sagen, was mir am meisten am Herzen liegt – nämlich das Wiedersehen! Können Sie nicht hierherkommen und mit Papa Willy u. mir einen Tag gründlich bummeln? Es wäre zu herrlich und für Alle ein Haupt-Spaß. Wir bräuchten uns auch gar nicht zu fürchten, zu viel Lärm zu machen, oder zu laut zu lachen; denn Randal giebt’s hier ja schon genug, und dabei würden wir immer noch still u. maßvoll erscheinen. Meinen Sie nicht auch? Sagen Sie mir doch bald, was Sie von meinem Plan halten; wenn Sie durchaus nicht kommen könnten, hätte ich wohl Lust, eines guten Tags in Jena || aufzutauchen. Ich glaube, „der Vater“ – so nennt Joachim nämlich Willy – hätte nichts dagegen und würde des lieben Friedens wegen seine Kleine dem Zuge ihres Herzens folgen lassen. Übrigens muß ich Ihnen sagen, daß wir stets einer Meinung sind und unsa namentlich in diesem Punkte herrlich verstehen. Mein Wunsch wird daher nicht nur vom „Vater“ gebilligt, sondern von diesem durch sein Mitempfinden noch bekräftigt u. beschleunigt. Wollen Sie sich die Sache überlegen, und wünschen Sie Bedenkzeit, so sollen Sie erfahren, daß wir noch bis zum 15ten Leipzig u. Umgebung durch unsere Anwesenheit unsicher machen. Wir führen ein herrliches || Leben; es geht von einem Rausch zum andern über. Das gefällt Durchläuchting sehr, denn nichts ist ihr unsympathischer als höfische Sitte u. steife Etiquette!
Der lieben Protisten-Professorin sende ich herzliche Grüße und bitte um Nachsicht. –
Herzlichst, in warmer Gesinnung u. Stimmung etc. etc.
Ihre
ganz kleine Freundin
u. große Verehrerin
Emma Engelmann.
[Nachschrift von Theodor Wilhelm Engelmann]
Genehmigt u. beglaubigt, unterstützt, und mit dreimaligem Amen versehen von ganzem Herzen, von ganzer Seele u. in ganzen Gemüthe vom Gatten Ihrer Durchlaucht.
a eingef.: uns