Zirkularschreiben von Ernst Haeckel an die Professoren J. Conrad, D. Schäfer und E. Fraas sowie an Assessor E. Korn, Jena, 2. Dezember 1902
Zoologisches Institut
der Universität Jena.
Circular-Schreiben an die Herren
1. Prof. Dr. J. Conrad (Halle)
2. Prof. Dr. D. Schäfer (Heidelberg)
3. Prof. Dr. E. Fraas (Stuttgart)
4. Assessor Dr. R. Korn (Essen)
(mit der Bitte an jeden der drei ersten Herren, das Schreiben an den folgenden weiter zu senden).
Jena 2. December 1902.
Hochgeehrte Herren!
Nachdem gestern der von uns vor drei Jahren festgesetzte Termin für Einlieferung der Arbeiten, betreffend das am 1. Januar 1900 publicirte Preis-Ausschreiben des kürzlich uns entrissenen Herrn A. F. Krupp, abgelaufen ist, beehre ich mich Ihnen nachstehend einen kurzen Bericht über den erfreulichen Erfolg dieses hochherzigen und zeitgemäßen Unternehmens abzustatten. ||
Es sind im Ganzen von mir 330 Programme auf Verlangen verschickt worden, und darauf bis heute 56 Arbeiten durch die Post eingeliefert worden. Davon kommen 16 nicht in Betracht, da sie theils nur Umfang und Werth eines flüchtigen Journal-Artikels haben, theils den von uns vereinbarten Bedingungen nicht entsprechen.
Unter den 40 eingegangenen Arbeiten, die ernstlich zu prüfen sind, befinden sich etwa 20 kleinere, 15 grosse, (einen mässigen Druckband füllende) und fünf sehr grosse (2–3 Bände). Die 56 Arbeiten vertheilen sich auf folgende Länder:
Deutschland 42 (meist Berlin, München, Hamburg),
Österreich 7 (meist Wien)
Schweiz 4, Russland 2, America 1. ||
Herr Professor Dr. H. E. Ziegler hierselbst, der mit mir den ganzen Verlauf der wichtigen Angelegenheit verfolgt, und der als dritter Preisrichter bereits zehn Arbeiten durchgesehen und beurtheilt hat, ist mit mir der Ansicht, dass das umfangreiche Material behufs baldiger Erledigung schon jetzt zu ungefähr gleichen Theilen an die anderen beiden Herren Preisrichter zu versenden ist.
Ich werde daher morgen per Bahn an die Herren Conrad und Schäfer je eine Kiste mit Manuskripten (Frachtgut, versichert) verschicken und jeden der beiden Herren bitten, nach erfolgter Durchsicht Ihres Theiles denselben an den andern Herren (versichert) zu befördern. Zur bequemeren Benutzung und Ordnung werde ich jedem der beiden Herren einen Soennecken’schen Brief-Ordner beilegen und bitten für jede Arbeit einen Briefbogen zu verwenden. ||
Sie werden es mit mir tief beklagen, dass unser hoch verehrter Stifter, Herr Krupp, der durch dieses großartige Preis-Ausschreiben einen neuen glänzenden Beweis seines wissenschaftlichen und socialen Interesses gegeben hat, uns durch einen frühzeitigen jähen Tod entrissen worden ist. Besonders tragisch ist der Umstand, dass es ihm nicht mehr vergönnt war, sich an diesem großartigen Erfolge seines Preis-Ausschreibens zu erfreuen. Um so mehr wird uns die Pflicht obliegen, dafür zu sorgen, dass die preisgekrönten Arbeiten gewissenhaft geprüft und im Sinne des Stifters nutzbar gemacht werden, als ein bleibendes und fruchtbares Denkmal seiner rastlosen philanthropischen Thätigkeit.
Hochachtungsvoll grüssend
Ernst Haeckel.