WILHELM ENGELMANN
VERLAGSBUCHHANDLUNG
LEIPZIG, 2. December 1901.
a MITTELSTRASSE 2.
Hochverehrter Herr Professor!
Es ist lange her, seitdem ich Ihnen geschrieben habe.
Die heutige Veranlassung ist die Uebersendung eines Exemplars der Lebensbeschreibung der Herrn Geheimrat Gegenbaur, da H. Geheimrath Gegenbaur leider nicht mehr im stande ist, selbst Briefe zu schreiben, so hat er mich gebeten, die Versendung für seine außerhalb Heidelberger wohnenden Freunde bestimmten Exemplare zu übernehmen.
Leider ist der Zustand von Gegenbaur ein derartiger, so daß wir uns wohl darauf gefasst machen müssen, ihn nicht mehr lange unter uns zu haben. Als ich ihn Ende Juni in Heidelberg || besuchte, fand ich ihn geistig recht frisch, körperlich dagegen sehr gealtert. Vor allem konnte er sich nicht mehr oder doch nur sehr ungenügend bewegen. Die Muskeln an den Beinen waren ganz geschwunden. Auch die Sprache hatte sehr an Deutlichkeit verloren. Ich habe ihn damals in der Stimmung verlassen, daß ich ihn wohl zum letzten Mal gesprochen und gesehen haben dürfte.
Der II. Band der „Vergleichenden Anatomie“ ist fertig gedruckt und harrt der Ausgabe, die in etwa 14 Tagen erfolgen wird. Die Herstellung des sehr umfänglichen Registers, das allerdings von Gegenbaur nicht hergestellt ist, hat die Fertigstellung verzögert.
Mit dem Wunsch, daß das kleine Büchlein Erinnerungen an vergangene schöne Zeiten in Ihnen wach rufen möge, verbleibe ich
In aufrichtiger Hochschätzung & Verehrung
Ihr sehr ergebener
E. Reinicke
Herrn
Prof. Dr. E. Haeckel
in Jena.
a gestr.: KÖNIGS-STRASSE 10.