Jena 1.12.1899.
Lieber Freund!
Beifolgend sende ich Dir die II. Auflage meines Buches über die „Welträthsel“; ich wollte Dir schon vor 2 Monaten die I. Auflage senden, hatte aber damals nicht genug Exemplare.
Falls Du ein Exemplar von der neuesten Auflage Deines vortrefflichen Lehrbuchs der Botanik übrig hast, würde ich Dir für die Überlassung sehr dankbar sein. Ich besitze nur die I. Auflage u. benutze sie viel. ||
Hoffentlich geht es Dir u. Deiner lieben Familie gut.
Von uns kann ich Dir leider nicht viel Erfreuliches melden. Das schwere Nerven- und Herzleiden, von dem meine Frau seit 4 Jahren heimgesucht ist, und das durch den melancholischen Gemüths-Zustand unserer jüngeren Tochter gesteigert wird, nimmt langsam zu.
In Leipzig geht es gut. ||
Ich war im letzten Jahre durch die schwierige und angreifende Arbeit der „Welträthsel“ recht herunter gekommen; habe mich aber auf eine 11 wöchentliche Herbstreise nach Corsica u. Rom ziemlich erholt.
Das II. u. III. Heft meiner „Kunstformen der Natur“ wirst Du erhalten haben; diese Arbeit macht mir viele Freude; sie wird mich noch einige Jahre beschäftigen (; falls ich so lange lebe!). – ||
Da Du auch durch Kunst-Geschmack Dich auszeichnest, möchte ich Dich freundlich bitten, mich gelegentlich auf botanische Werke aufmerksam zu machen, in denen gute, sich besonders für meine Tafeln eignende Abbildungen sich befinden – besonders von Flechten, Farnen u. Lebermoosen.
Mit besten Grüßen von Haus zu Haus
Dein alter
E. Haeckel.