Jena 22. Jan. 1890
Lieber Freund!
Besten Dank für Deinen lieben Brief, der mich sehr erfreut hat; besonders auch, weil Du unser lieben Jena noch in treuem Andenken hälst und uns zu Ostern Deinen Sohn schicken willst. Er soll bestens aufgenommen sein!
– Am 18. feierte der studentische naturwissenschaftliche Verein unter starke Theilnahme u. in heiterster Laune, sein 10.jähriges Stiftungs-Fest, wobei Deiner herzlichst gedacht u. uns Beiden zu Ehren ein Salamander gerieben wurde. ||
Mitte Februar gehe ich auf 2 Monate nach Algerien (Oran bis Tunis, hoffentlich). Da Du dort warst, kannst Du mir vielleicht einige gute Winke geben (Landschaft, Standort, Hôtel). Ich will hauptsächlich an der Küste arbeiten (Medusen etc.) aber auch Excursionen in das Gebirge machen. Giebt es in Algier traitable Naturforscher? Als „Baedecker“ habe ich „Joanne“. Ich denke direct über Marseille zu fahren. ||
Stahl schreibt sehr befriedigt aus Java (Buitenzorg). Der Beneidenswerthe! a Einen Winter in den Tropen solltest Du Dir doch auch einmal gönnen ( – trotzdem Du wirklicher Geheimer Rath u. seit Kurzem [ – Symptom bedenklicher Rückbildung!! – ] Mitglied der Berliner Akademie bist. Ich leide im Winter beständig an „Tropen-Heimweh“ – besonders dies Jahr, wo ich tagsüber Praeparator und Abends „Ball-Vater“ bin. ||
Meine älteste Tochter ist sehr munter u. tanzlustig. Die jüngere wird Ostern confirmirt. Mein Sohn (bereits 21 Jahre!) ist Maler in München! Meine arme Frau ist leider viel krank. Ich werde auch alt u. merke, wie es gradatim bergab geht (trotzdem die Berliner Academie mich – Gott sei Dank – consequent verschont!).
– Hoffentlich geht es bei Euch dauernd gut!
Mit herzlichen Grüßen v. Haus zu Haus (auch an Gandtner)
Dein treuer alter
Ernst Haeckel
a gestr.: D