Ernst Haeckel an Eduard Strasburger, Jena, 15. Januar 1885

Jena | 15. Jan. 85.

Lieber Freund!

Was Du mir über die Bonner Zoologische Professur schreibst, bestätigt die Ansichten, die ich mir schon früher darüber gebildet hatte und die mich damals von der Annahme der Berufung abhielten. Daß Richard Hertwig nach München geht, halte ich für richtig, und freue mich, daß die Neubegründung der Münchener Zoologie von einem so tüchtigen Vertreter der Jenenser Schule ausgeht. ||

Ich hielte es auch für das Einfachste, wenn Leydig die ganze Zoologie übernähme. Thut er dies nicht, würde ich unter den erreichbaren Candidaten Selenka für den tüchtigsten halten. Seine letzten Arbeiten halte ich für ausgezeichnet. Er soll ein sehr guter Lehrer sein und sich von Erlangen fortwünschen. Graff würde ich für weniger bedeutend halten; auch glaube ich nicht, daß er von Graz (wo er sehr viel Zuhörer hat) nach Bonn geht; er ist geborener Österreicher. ||

W. Marschall (den Du wohl von hier kennst) soll sich in Leipzig eines sehr guten Lehr-Erfolges (selbst neben Leuckart) erfreuen. In allgemeiner zoologischer Bildung ist er wohl vielen jüngeren Kräften überlegen. Unter letzteren wird neuerdings Spengel gerühmt. Ich will mir jedoch keine Urtheile über die Masse der jüngeren strebsamen Zoologen zutrauen, da ich, wie Du weißt, wenig lese und immer abwarte, bis die neuen Entdeckungen (gewöhnlich innerhalb eines halben Jahrs) wieder von anderen widerlegt sind. So spare ich viel Zeit! ||

– Für die freundliche Zusendung Deiner beiden neuesten Werke danke ich Dir herzlich und freue mich, daß Du Dir die Jenenser Schaffensfreude in Bonn erhalten hast. –

Unser Rencontre auf dem Dürrenstein hat mich sehr amüsirt.

– Hier geht Alles gut. Der neue Curator bewährt sich bis jetzt vortrefflich. In der Facultät fungire ich bereits als (weißhäuptiger!) Senior. An Stahl habe ich einen recht lieben und tüchtigen Collegen. Wenn er nur heirathete!

– Hoffentlich besuchst Du einmal im Sommer das mächtig aufstrebende Neu-Jena, (in Trans-Leutranien!)

Mit herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus

Dein alter Ernst Haeckel.

Brief Metadaten

ID
41666
Gattung
Brief mit Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Zielland
Deutschland
Datierung
15.01.1885
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Besitzende Institution
Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Abt. Hss. u. Rara
Signatur
NL Strasburger, Eduard
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Strasburger, Eduard; Jena; 15.01.1885; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_41666