Jena 8. Nov. 82
Lieber Freund!
Für Deinen lieben Brief sage ich Dir herzlichen Dank, und besonders für die freundschaftliche Gesinnung, mit der Du daran denkst, meine Berufung für die durch Troschel’s Tod erledigte Professur der Zoologie in Bonn zu ermöglichen. Um alle darauf bezüglichen Illusionen und vergeblichen Bemühungen von vornherein zu zerstreuen, halte ich es für das Beste, Dir jetzt gleich offen zu erklären, daß ich einen Erfolg derselben nicht annehmen kann.
I. Erstens wird eine Berufung von Seiten der Philosophischen Facultät und des Senats in Bonn schwerlich durchzusetzen sein. ||
Zweitens wird das jetzige Cultus-Ministerium in Berlin sich ganz gewiß nicht zu meiner Berufung entschließen, sondern jeden anderen lieber nehmen. Drittens befinde ich selbst mich jetzt hier in so angenehmer und mir zusagender Stellung, daß ich zufrieden bin, und schwerlich dieses sichere Gut opfern werde, um dafür die unsichere Aussicht auf eine größere und glänzendere Stellung einzutauschen, die ich mir wesentlich erst schaffen würde. Mein neues schönes Institut (im Snell’schen Garten) steht im Rohbau fertig da, ebenso gegenüber (neben Geuther), in schönster Lage, meine kleine Villa. Und sonst mache ich ja, wie Du weißt, keine Ansprüche. ||
Unter diesen Umständen halte ich es für das Richtigste, von meiner Person ganz abzusehen, und sogleich die drei Persönlichkeiten in’s Auge zu fassen, die ich für die weitaus passendsten halte. Da Du alle drei selbst kennst, brauche ich Dir wohl nichts weiter zu sagen.
Was die Annahme betrifft, so vermuthe ich, daß Richard Hertwig ganz sicher, Franz Eilhard Schulze wahrscheinlich, hingegen Weismann sicher nicht annehmen wird. Ausdrücklich zu warnen ist vor Eimer, für den Fall, daß der gute Leydig für diesen seinen Schüler (der übrigens bereits halbverrückt sein soll) eintreten würde. ||
Uns geht es hier recht gut. Wie ich Dir wohla bereits in dem nach der Schweiz gerichteten Briefe mittheilte, sind meine Sammlungen von Ceylon (52 Kisten) wohlbehalten eingetroffen und machen mir viel Arbeit. Unser Häuschen (das wir im nächsten Sommer beziehen wollen) macht uns bereits viel Vorfreude. – Die Frequenz ist sehr gut und b langsam steigend. Stahl und Richard Hertwig machen sich Beide recht gut. Seebeck hat sich wieder ganz erholt c – hoffentlich geht es auch Deiner Familie gut und hat sich Deine liebe Frau ganz erholt.
Mit herzlichen Grüßen
Dein
E. Haeckel.
P.S. Beifolgend Fortsetzung und Schluß der „Indischen Reisebriefe”.d
a eingef.: wohl; b gestr.: immer; c gestr.: ; d Nachschrift vertikal am linken Rand.