Ludwig Plate an Ernst Haeckel, Berlin, 9. Januar 1909
Königliche Landwirtschaftliche
Hochschule zu Berlin.
Zoolog. Sammlung.
Berlin N. 4, den 9/I 1909
Invalidenstrasse 42.
Verehrtester und lieber Freund!
Ich freue mich sehr zu hören, dass Ihre Genesung Fortschritte macht, so dass sie damit rechnen dürfen, a Mitte Januar wieder mit den Vorlesungen zu beginnen. Besten Dank auch für Ihre Erwiderung in der (übrigens hier in Berlin nicht sehr angesehenen) „Volkszeitung“ gegen den unverschämten Brass. Ich werde einer Aufforderung der medizinischen Wochenschrift demnächst entsprechen und mich ebenfalls hierzu äussern; es ist ja ganz klar, dass Brass aus der Maus einen Elefanten macht und harmlose Ungenauigkeiten in der gehässigsten Weise aufgebauscht.
Gestern fand nun die entscheidende Konferenz bezüglich meines Nachfolgers statt, und nachdem || ich über Ziegler, Häcker, Hesse ausführlich berichtet hatte, wurde die Liste festgesetzt (die ich natürlich als streng vertraulich zu behandeln bitte, denn es hat in der Deutschen Tageszeitung, dem Blatt der Agrarier, schon ein gehässiger Artikel gegen mich und Ziegler als Monisten gestanden):
I Ziegler
II, III, ex aequo: Haecker, Hesse.
Leider musste ich aber am Anfange der Konferenz zu Protokoll geben, dass meine Übersiedelung nach Jena noch keineswegs sicher sei, da man mir in Weimar Schwierigkeiten mache. Dr Vollert hat auf meine „Vereinbarungen“ bezüglich der Ritterstiftung so kühl geantwortet, dass ich fürchte, die Sache wird im letzten Moment hieran scheitern, denn ich kann hiervon nicht abgehen, || ohne nach meiner Meinung die Interessen des Instituts zu schädigen.
Punkt 4) spielt natürlich keine Rolle und kann gern so gefasst werden, dass es heißt „3 Räume (Archiv, Bibliothek, Arbeitszimmer)“.
Da wir über 3a einer Meinung sind, so bleiben nur noch 3b und 3c übrig. Durch eigene Besichtigung und durch die Aussagen von Dr Hase und Prof. Ziegler bin ich zur Überzeugung gekommen, dass in den nächsten 2 Jahren auch für das Institut sehr viel geschehen muss, so dass ich auf jene 3600 M auf keinen Fall verzichte. Ich habe auch die Überzeugung, dass die Einrichtung des Museums sich ganz gut mit der restirenden Summe machen lässt nach folgender Calculation: ||
Zinsen der Ritterstiftung:10500 M:
Gehalt des Nachfolgers von Ziegler: 1500
" von Philippi 1500
Zool. Institut 3600
6000
bleiben für das Museum ca 3900 M jährlich, welche für die innere Einrichtung (excl. Schränke) ausreichen werden. Ich bin sicher, dass wir damit im ersten Jahr die beiden Hauptsäle fertigstellen können, was zur Eröffnung genügen würde, da das Archiv und die beiden andern Räume sich mit Bildern, Gemälden, Büchern, Briefen, Dokumenten vorläufig füllen lassen.
Falls Ihrem Antrage, die Haeckel-Professur auf die Universitätskasse zu übertragen, entsprochen wird, so wäre das eine sehr glückliche Lösung; ich fürchte aber, Sie werden das nur erreichen, wenn Sie b die jetzige Situation dazu benutzen und nach Weimar berichten: „Ich wünsche sehr, dass Plate mein Nachfolger wird. Dieser besteht aber daraufc,|| dass die Ritterstiftung ihrer eigentlichen Aufgabe, der Unterstützung deszendenztheoretischer Forschungen,d erhalten bleibt und nicht dazu benutzt wird, um eine Professur für allgemeine Geologie und Palaeontologie zu bezahlen, denn diese Lehrtätigkeit ist Sache der Universität und nicht einer speciellen Stiftung.“
Die Herren in Weimar wollen natürlich die Universitätskasse möglichst entlasten und werden daher nie einwilligen, falls wir den jetzigen günstigen Augenblick verstreichen lassen.
Nachdem ich nun 3mal zu Besprechungen in Jena gewesen bin und hier zur Zeit wegen der Vorlesungen schwer ab bekömmlich bine, möchte ich nicht eher wieder nach Jena kommen, alsf bis die Sache definitiv entschieden ist, ob ich annehmen kann oder nicht. Sollten daher irgendwelche wichtigen Akten vorliegen, so bitte ich mir diese „eingeschrieben“ zugehen zu lassen, damit ich sie hier einsehen kann. || Eile tut jetzt not, denn unser Rector und Excellenz Thiel wünschen, dass die Frage meiner Nachfolgerschaft bald erledigt wird, da dazu nur noch der Februar sich eignet.
Dr Vollert schreibt mir am Schlusse seines offiziellen Briefes: „In den gedachten Beziehungen wird es zunächst auf die Entschließung von Excellenz Haeckel ankommen.“ In Ihrer Hand, lieber Freund und Meister, liegt die Sache also jetzt. Sie haben mir das Vertrauen geschenkt, mich zu Ihrem Nachfolger zu erwählen, und ich halte dies für eine solche Ehre und Freude, dass ich grosse materielle Opfer bringe, um Ihre Pläne zu verwirklichen; das ist aber nur möglich, wenn man meinen Wünschen in Weimar Rechnung trägt. Damit nun unsere fast halbjährigen Verhandlungen endlich zu einem günstigen Abschluss kommen, || bitte ich Sie, baldmöglichst nach Weimar zu berichten, dass wir uns bezüglich der Erträgnisse der Ritterstiftung geeinigt haben und dass Sie selbst beantragen, meinen Wünschen zu entsprechen und die folgenden Sätze als bindend anzuerkennen:
„a. Die von Excellenz Haeckel getroffenen und von den Regierungen genehmigten Bestimmungen gelten nur bei Lebzeiten desselben; später können sie von seinem Amtsnachfolger aufgehoben oder geändert werden entsprechend der Bestimmung der Stiftungsurkunde, dass die Erträgnisse zu verwenden sind nach ‚freiem Ermessen des jeweiligen Ordinarius‘.
b. Bei Lebzeiten von Exzellenz Haeckel müssen mindestens 3 600 M jährlich für die Zwecke des zoologischen Instituts (Bibliothek, wiss. Arbeiten und Reisen, Honorirung von Hilfskräften) reservirt bleiben.
c. Sollte bei Lebzeiten von Excellenz Haeckel Prof. Ziegler fortberufen werden, so wird das Gehalt seines Nachfolgers auf 1500 M || festgesetzt und sollte Prof. Philippi fortberufen werden, so geht die Haeckel-Professur entweder ein oder sie wird von der Universitätskasse übernommen.“ (Das Unterstrichene ist neu von mir eingefügt.)
Bezüglich Ihrer 3 Räume im Museum füge ich ein officielles Schreiben für die Akten bei.
Die Nachricht bezüglich des Gorillas hat mich sehr erfreut. Hoffentlich lässt ihr Schwiegersohn aus seinen reichen Mitteln zum 75. Geburtstag noch ein Paar „Braune“ für die Schränke fliegen.
Sollten die Herren in Weimar hartnäckig bleiben, so muss ich dem Prorektor (der schon auf Antwort wartet) leider schreiben, dass die Verhandlungen in letzter Stunde endgültig gescheitert sind. Das würde mir um so schmerzlicher sein, als ich in den letzten 3 Wochen ungefähr 80 Briefe aus allen Teilen Europas bekommen habe, die die Freude der Schreiber ausdrücken, dass ich Ihr Nachfolger geworden bin. Aber ich bin kein Pessimist, sondern unverwüstlicher Optimist. Also gute Besserung und auf frohes Wiedersehen.
Getreulichst Ihr
Plate
a gestr.: Ende; b gestr.: schreiben; c korr. aus: auf; d eingef.: der Unterstützung deszendenztheoretischer Forschungen,; e mit Einfügunsgzeichen eingef.: und hier zur Zeit wegen der Vorlesungen schwer ab bekömmlich bin; f eingef.: als