Ernst Haeckel an Max Vollert, Jena, 22. Juli 1909
Jena 22. Juli 1909.
Hochgeehrter Herr Staatsrat!
Beifolgend übersende ich Ihnen (– zu beliebiger Benutzung, mit der Bitte um gefällige Rückgabe – die 4 Bogen, 16 pag., gestern vorgelegt –), auf denen ich die Tatsache und Daten des bedauerlichen Kampfes chronologisch aufgeführt habe, welchen ich mit meinem Amtsnachfolger, Prof. Plate, seit 4 Monaten zu führen gezwungen war. Ich wiederhole Ihnen meinen herzlichen Dank dafür, daß Sie durch Ihre friedliche Vermittelung in unserer gestrigen dreistündigen Verhandlung endlich den Abschluß dieses widerwärtigen Kampfes herbeigeführt haben.
Für mich persönlich war dieser aufgedrungene Streit nicht so sehr deßhalb höchst traurig, weil er mit den nichtswürdigsten Verleumdungen meines Charakters und meiner 48 jährigen Amtstätigkeit verbunden wurde, als weil er mir die bedauerlichen moralischen Defekte des juristisch bewundernswürdigen Charakters meines undankbaren Gegners enthüllte. Ich bedaure aufrichtig, daß Sie selbst im Beginnen Ihrer Amtstätigkeit als Curator durch diesen unangenehmen Streit so viel Zeit und Arbeit verlieren mußten. ||
Ihre pessimistische Beurteilung des menschlichen Kampfes ums Dasein hat dadurch allerdings einen neuen Beweggrund erfahren.
Indem ich Sie bitte, mir auch fernerhin als „Emeritus“ (– als „rudimentäres Organ“ unserer Universität –) Ihr wertvolles Wohlwollen zu bewahren, bleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebenster
Ernst Haeckel.