Göldi, Emil August

Emil August Göldi an Ernst Haeckel, Leipzig, 13. Juni 1883

Leipzig, den 13ten

Juni 1883

Sehr geehrter Herr Professor!

Für Ihr freundliches Schreiben vorerst meinen tiefgefühltesten Dank – es kam sehr zu gelegener Zeit und hat mich mit dem Leben wieder versöhnt. Jetzt begreife ich eigentlich gar nicht, wie ich in jenen trüben Momenten überhaupt an Ihrem Interesse an meinem Wohle zweifeln konnte und es thut mir dies in der That leid. Als Entschuldigung mag mir indeß das Bewusstsein der fatalen Folgen jener Bemerkung dienen – Folgen, die a Ihnen in ihrer Tragweite wohl kaum bekannt sein dürften, die aber ernstlich meine weitere Existenz in Frage stellten. –

Ich habe Ihnen heute etwas Angenehmeres zu berichten: ich erhielt heute Morgen aus Bahia || ein Schreiben (das ich Ihnen nächstens vorlegen werde), von Prof. Draenert, in dem mir eine Professur für Naturwissenschaften an der Kaiserlichen Ackerbau-Schule, dotiert mit 250 Milreis monatlich = 3000 Mark jährlich nebst freier Wohnung, in einer so bestimmten Weise angeboten wird, daß ich eigentlich bloß noch das „Jawort“ zu geben habe. Prof. Draenert, der intellectuelle Chef der Anstalt, den ich selber gar nicht kenne und an den ich gar nicht geschrieben habe, von dem ich aber weiß, dass er Freimaurer ist, entwirft von den klimatischen Verhältnissen das günstigste Bild und bezeichnet sie als zu meinen zoologischen Studien in hohem Grade geeignet, da ich sowohl Süßwasser- als marine Fauna in den Bereich der Untersuchungen ziehen könne. Da der nördliche Küstenstrich von 12° bis Rio meines Wissens noch keinem Naturforscher der Neu||zeit als Untersuchungsdistrikt gedient hat, und im Gegensatze zu den südlichen Gegenden, wo in den letzten Monaten nach einem überaus liebenswürdigen Brief von Fritz Müller das gelbe Fieber arg gehaust haben soll, als gesund gilt, dürfte die Offerte jedenfalls viel Verlockendes haben. Ich würde mich dabei jedenfalls finanziell günstiger stellen, als Fritz Müller und Ihering selbst, die als „naturaliste vaganti“, der eine für die Provinz Rio Grande do Sul, der andere für die Provinz Santa Catarina bloß monatliche 400 Mark bekommen, woraus sie noch die Reisespesen zu bezahlen haben. – Wem ich die Empfehlung zu verdanken habe, weiß ich noch nicht; so viel ich aber merke, ist sie aus der nächsten Umgebung des Hofes entsprungen, entweder von Staatsminister Rio Branco oder vom Kaiserlichen Leibarzt Dr. Prof. Felix Martius; sie wird aber auf einer weiteren Empfehlung basieren, die auf geheimem Wege von Jena aus nach Rio Janeiro an || die geeigneten Persönlichkeiten abgieng.

Der Haupteffekt bei der ganzen Angelegenheit wird also von dem Erfolge meiner Promotion abhängen: ich hoffe nach Maßgabe meines redlichen und treuen Arbeitens in Jena & Leipzig eine ehrenvolle Censur zu erlangen. Ich würde mich zu Tode grämen, wenn mir auch noch diese Geschichte missglückte! –

Die respektable Offerte aus Bahia muss mir umso auffallender erscheinen, als mir Fritz Müller – der Ihnen für Übersendung der Eisenacher Rede bestens Danken lässt – keine sehr schöne Schilderung vom Kampf um’s Dasein auf der südl. Hemisphäre entwirft; der große Mann, wie sein Freund Gustav Wallis scheinen entsetzlich harten Stand gehabt zu haben. Ich werde auch diesen Brief Ihnen nächstens vorlegen, wenn ich – ich bat die philos. Facultät um Vorladung auf den 23ten – den Jenenser Doctor-Hut mir „anpassen“ darf.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr dankbarer Emil A. Göldi

a irrtüml.: in

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
13.06.1883
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 415
ID
415