Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Ludwig Plate, Jena, 24. Juni 1909

Abschrift

Jena 24. Juni 1909.

Herrn Prof. Dr. L. Plate

Direktor des Zoologischen Instituts und des Phyletischen Museums

Hochgeehrter Herr Professor!

Von meiner Erholungsreise zurückgekehrt, erfahre ich durch den Universitäts-Kurator, Herrn Staatsrat Dr. Vollert, daß Sie den bei ihm eingelegten Protest gegen meine Schenkungs-Urkunde vom 4. Mai 1909 zurückgezogen haben. Damit ist diese Differenz endgültig erledigt und ich allein habe die ausschließliche Disposition über die drei Räume des Phyletischen Archivs (Kunstsammlung, Bibliothek und Arbeitszimmer), die ich mir im Phyletischen Museum von Anfang an vorbehalten hatte. Auch nach meinenmTode wird die Disposition darüber meinen nächsten Verwandten (Sohn und Schwiegersohn) oder den noch von ihnen ernannten Vertretern zustehen, welche genau mit meinen Intentionen vertraut sind. Dagegen erfahre ich zugleich mit Bedauern, daß Sie sich in meiner Abwesenheit Schlüssel zu diesen drei Räumen || haben machen lassen und einen Teil meiner darin befindlichen Bibliothek (ohne Angabe der betreffenden Bücher) daraus entfernt haben, – ferner, daß Sie in Weimar sich vom Rechnungs-Revisor die Buchhändler-Rechnungen der letzten 20 Jahre haben aushändigen lassen, um zu untersuchen, welche Bücher ich in diesem Zeitraum auf Instituts-Kosten angeschafft habe. Zu dieser Untersuchung sind Sie völlig unberechtigt; denn die Rechnungen des Zoolog. Instituts, welche ich alljährlich dem Rechnungs-Amt vorzulegen habe, sind stets von diesem gewissenhaft geprüft, ordnungsmäßig befunden und niemals beanstandet worden. Niemand, außer meiner vorgesetzten Ministerial-Behörde, hat das Recht, dieselben nochmals einer Revision und Kritik zu unterziehen. Ihre irrtümliche Auffassung der Bibliotheks-Fragen erscheint sehr sonderbar gegenüber der Thatsache, daß ich der Universität Jena während meiner 48jährigen Dienstzeit (durch Geschenke, Stiftungen u. s. w.) mehr als eine || Million Mark an Geldwert zugeführt habe – ganz abgesehen von den Ergebnissen meiner gewissenhaften Amtstätigkeit. Was Sie als mein Amtsnachfolger an Sammlungen und Unterrichtsmitteln hier vorgefunden haben und jetzt täglich benutzen, habe ich zum weitaus größten Teile selbst geschaffen.

Bezüglich der wertvollen Zoologischen Bibliothek, die zur größeren Hälfte mein Geschenk, zur kleineren Hälfte aus den Mitteln der (von mir der Universität zugeführten!) Ritterstiftung angekauft ist, hatte ich Ihnen bereits früher mündlich und schriftlich mitgeteilt, daß ein großer Teil der Bücher durch einen sehr vorteilhaften Tausch-Verkehr erworben ist, und gerade für diesen Austausch – ferner auch zu Geschenken an die hochherzigen Förderer des Zoologischen Instituts und des Phyletischen Museums – habe ich zahlreiche Bücher (sowohl eigene als auch fremde Werke) käuflich erworben. Natürlich sind diese nicht in den Katalog der Instituts-Bibliothek aufgenommen. Ihnen alle einzelnen Daten über diesen umfangreichen Tauschverkehr, der durch Hunderte von Postpaketen (– in den Instituts-Rechnungen aufgeführt –) || ermittelt wurde, anzugeben, bin ich weder verpflichtet noch geneigt. Ihre schwere Anschuldigung, daß ich „eine Unzahl von Büchern wie Privateigentum behandelt“ und daß ich die Bibliothek höchst unordentlich geführt habe, ist völlig unbegründet.

Früher hatte ich den Wunsch gehabt, mit Ihnen gemeinsam die Organisation und die innere Einrichtung des Phyletischen Museums auszuführen, dessen Gründung ich 2 Jahre mühseliger Arbeit gewidmet und dem ich große materielle Opfer gebracht habe. Dieser Plan ist nunmehr leider vereitelt. Ihrem dringenden Verlangen entsprechend habe ich Ihnen das ganze Phyletische Museum (mit Ausnahme der 3 Archiv-Räume) bedingungslos überlassen. Sie haben natürlich damit auch die Verpflichtung übernommen, dessen Organisation zweckentsprechend durchzuführen. Räume, Sammlungsmaterial und Geldmittel sind jetzt in genügendem Maße vorhanden. Es ist zu erwarten, daß Sie diese schöne Aufgabe ebenso befriedigend lösen werden, wie Sie es bei der inneren Einrichtung der biologischen Abteilung des Museums für Meereskunde in Berlin gethan haben.

Eine Antwort auf dieses Schreiben erwarte ich nicht, da die weitere Ausgleichung unserer bedauerlichen Differenz der Herr Kurator übernehmen wird.

Hochachtungsvoll

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
24.06.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
C 641a, Bl. 52r-53v
ID
41490