Ernst Haeckel an Wilhelm Ostwald, Jena, 28. Februar 1913
Jena 28. Februar 1913.
Lieber und hochverehrter Freund!
Unter den zahlreichen (über 300) Glückwünschen und Gaben, welche am 79sten Geburtstage bei mir eintrafen, hat mir keine so viel Freude gemacht, wie das Heft 22 Ihres „Monistischen Jahrhunderts“ mit den schönen Beiträgen von Ihnen, Forel, Kammerer, Verworn, Bölsche und Heinrich Schmidt. Sie alle haben mich zu bleibendem herzlichsten Danke verpflichtet! In Ihrem ehrenvollen Aufsatze hat mich besonders gefreut, dass Sie meine Beziehung zu meinem Freunde Ernst Abbe und die Wesensgleichheit unseres praktischen Idealismus zutreffend hervorgehoben haben. Bekräftigt wird die Richtigkeit dieser Ansicht dadurch, dass sie gleichzeitig in mehreren anderen Gratulations-Briefen (aus England, Nord-America und Neuseeland) fast mit denselben Worten ausgesprochen wird. || Der erfreuliche Gesamt-Eindruck dieser gewaltigen monistischen Kundgebungen, die am 16. Februar aus aller Welt hier zusammentrafen, besteht in der Überzeugung, dass die Grundgedanken unseres „Naturalistischen Monismus“ (gleichwohl ob man mehr die energetische oder die mechanistische Seite betont) bereits überall feste Wurzel geschlagen haben, und dass Tausende von jungen zukunftsfrohen Kräften bereit sind, unsere hohe Kulturaufgabe zu fördern. Dass in den letzten zwei Jahren, seit Sie das Praesidium des Monistenbundes auf meine Bitte übernommen haben (Leipzig, 26. Dezb 1910)! die Teilnahme weitester Bildungskreise an unseren hohen Zielen so zugenommen hat, dass das Verständnis des echten Monismus, seiner theoretischen Klarheit und praktischen Bedeutung, so gewachsen ist, das verdanken wir vor Allem Ihrer unermüdlichen Energie und genialen Leitung! Dass nur diese noch lange erhalten bleibe und zum Siege führe, das wünscht von Herzen
Ihr treuer Ernst Haeckel. ||
P.S. In mehreren der erwähnten monistischen Zuschriften wird Klage darüber geführt, dass Dr. W. Breitenbach in seiner Zeitschrift „Neue Weltanschauung“ fortwährend Angriffe gegen einzelne Richtungen unseres Bundes – und besonders auch gegen Ihre Energetik – richtet und dadurch Zwiespalt in unsere Reihen bringt. Ich habe ihn schon mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass er dadurch unserer gemeinsamen guten Sache schadet und nur unseren klerikalen und konservativen Gegnern Freude bereitet. –
Dr. Breitenbach als einer meiner älteren, bei der Begründung des Monistenbundes speziell beteiligten Schüler (– mit guten vielseitigen Kenntnissen ausgestattet, und sehr geschickter Redakteur –) hat mir nunmehr geschrieben, dass er das Nutzlose seiner (vielfach bedauerten) Angriffe eingesehen habe und sie ferner unterlassen werde.