Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Ostwald, Jena, 31. Dezember 1910

Jena 31.12.1910.

Sehr verehrter Herr Kollege!

Ihre freundliche, heute erhaltene Zusage, das erste Praesidium im Monistenbunde übernehmen zu wollen, hat mich ganz ausserordentlich erfreut und ich sage Ihnen dafür, im Sinne unserer Mitglieder, den herzlichsten Dank! Wir sind überzeugt, dass Sie damit der guten Sache des geistigen Fortschritts und der höheren Kultur-Entwickelung einen sehr grossen Dienst leisten und der gesunden Naturphilosophie einen neuen weiten Wirkungskreis eröffnen.

Als ich heute früh (– erst gestern Abend von Berlin zurückgekehrt –) Ihren Brief erhielt, war zufällig Dr. med. Eduard Aigner aus München zum Besuche hier, der einflussreiche und sehr tätige Vorstand der Münchener Ortsgruppe des D. Monistenbundes; ein erfahrener Arzt, der eine Weltreise gemacht hat und den grössten Teil seiner Zeit der umfangreichen Geschäftsführung des M. Bundes widmet. Er war über Ihren Entschluss auf das höchste erfreut, und wird Ihnen seine Arbeitskraft, als Sekretär etc, voll zur Verfügung stellen. || Dr. Aigner telegraphirte Ihren Entschluß sofort nach München an Dr. Unold, der sehr froh sein wird, sein Praesidium in Ihre jüngeren und tatkräftigeren Hände legen zu können. Die Freude, nun einen bewährten und berühmten Naturforscher ersten Ranges an der Spitze des Monistenbundes zu wissen, was schon lange und allseitig gewünscht wurde, wird allgemein sein, und daran sich die Hoffnung knüpfen, die einheitliche Weltanschauung weiteren Kreisen zugänglich zu machen und für die naturgemäße Lebensführung und Ethik praktisch zu verwerten.

Dr. Unold (an den ich so eben geschrieben habe) und Dr. Aigner werden Ihnen bald Näheres mitteilen. An Dr. Horneffer in München, dem zweiten Präsidenten, der ein vorzüglicher Redner und Lehrer ist, werden Sie eine sehr wertvolle Unterstützung haben. Die Auspizien sind sehr günstig!

Schließlich muß ich Ihnen noch meinen aufrichtigsten und herzlichsten Dank wiederholen, daß Sie auf meine Bitte am 26.12. mich in Leipzig aufsuchten und mir Gelegenheit gaben, einen unserer ausgezeichnetsten Naturforscher und gedankenreichsten Philosophen persönlich kennen zu lernen.

In der angenehmen Hoffnung, Sie bald einmal in Jena zu sehen und Vieles mit Ihnen zu besprechen, bleibe ich bestens grüßend

Ihr Ernst Haeckela

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Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
31.12.1910
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, NL Ostwald
Signatur
1041, 50/2
ID
41403