Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Elisabeth Meyer, geb. Haeckel, Jena, 15.17. Februar 1919

Jena 15. Februar 1919.

Meine gute liebe gute Liese!

Da ich das zweifelhafte Glück habe, morgen mein 85. Lebensjahr zu vollenden und Dich leider unter den obwaltenden Reise-Schwierigkeiten nicht hier bei mir haben kann, will ich Dir wenigstens an diesem Gedenktage einen herzlichen väterlichen Gruß senden. Morgen Abend wird unser glückliches Kriegs-Ehepaar Else und Rudolf bei mir „Kriegsthee“ trinken und Eure Besuchs-Stelle vertreten. –

Heute zurückblickend auf mein langes, vielbewegtes Leben, in dem „Lust und Schmerz“ reichlich gewechselt haben, kann ich „Im Ganzen befriedigend“ als Examens-Note mir hinschreiben. Ich habe mich wenigstens „nicht umsonst gequält“ und habe mit Schreiben und Malen und anderem Schaffen genug Papiere in Anspruch genommen! ||

Montag Abend 17.2.19.

Da ich den Brief vorgestern ich abschicken konnte und gestern vor lauter Besuchen und 300 Postsendungen, Telegrammen etc. nicht zum Schreiben kam, kann ich Dir nun gleich noch mitteilen, daß die intime 85. Geburtstags Feier in Villa Medusa gestern Abend sehr hübsch verlief. Unser Trio – das glückliche Landgrafen-Paar und ich, – erfreute uns bei „Kriegsthee“ an dem schönen Schmorbraten, den Du geschickt hattest, und an den verschiedenen Süßigkeiten (Kuchen, Plätzchen etc), welche in 20 verschiedenen Paket Sendungen eingetroffen waren. Wir bedauerten nur, daß unsere lieben Leipziger und Münchener nicht mit dabei sein konnten. Durch liebe Erinnerungen an die „gute alte Zeit“ verdrängten wir die trübe Stimmung, welche von der National-Versammlung in Weimar herüber wehte. – Im Laufe des Tages empfing ich 2 Dutzend Besuche, habe aber die ganzen Strapatzen gut überstanden.

Treulichst Dein alter Vater

E. Hkl

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
15.02.1919
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
41388