Henckel, Alexander

Alexander Henckel an Ernst Haeckel, St. Petersburg, 26. Januar 1909

St. Pbrg. d. 26 I 1909.

Hochgeehrter Herr Professor,

Als ich vor etwa einem Jahre mich an die Uebersetzung des 2ten Bandes Ihrer „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ ins Russische machte, versicherte mich der Representant des Verlegers, es geschehe mit Ihrem Zusagen. Nun hat sich aber die Firma gespaltet, eine Hälfte ist, so viel mir bekannt, kreditunfähig, und wurde das Unternehmen vom Vertreter allein fortgesetzt. Es stellte sich aber dabei heraus, dass er Ihre Erlaubnis dafür für‘s Erste nicht erhalten. Da ich das || nicht approbieren kann, bitte ich Sie einstweilen zum bösen Spiel gute Miene zu machen und es ihm, als unerfahrenen jungen Menschen (resp. Fräulein) verzeihen zu wollen.

Wir planen jetzt mit ihr auch Ihre „Anthropogenie“ ins Russische zu übertragen, wenn Sie mir so gut sein wollen, Ihre Erlaubnis dazu zu geben. Wenn Sie ein Vorwort dazu schreiben würden, würden Sie vielleicht zu gut sein, auch die Bedingungen dafür aufzustellen. Ich bin Ihr schwärmender Anhänger, habe dazu diese Tage in meinem Höhrsale der St. Petersburger Universität (wo ich schon seit 7 Jahren || als Privat-Docent der Botanik fungiere) einen Vortrag „E. Häckel u. die moderne Weltanschauung“ gehalten u. über 300 Zuhörer gehabt. Wie Sie vielleicht wissen, ist jetzt auch hier, nach der Revolutionszeit, eine für Russland ungewöhnliche piätistische Stimmung in der Intelligenz eingetreten, und die zu brechen gilt es eben. Vielleicht wird noch mal bald ein „Häckelscher Verein“ hier gegründet – gesprochen wird schon darüber, aber, nicht unmöglich, wird er polizeilich verfolgt werden. Ich habe mich für das Uebersetzen Ihres „Kampfes für die Descendenzidee“ kaum durch die Mühe eines sehr guten Ad-||vokaten vorm Absitzen gerettet.

Das Buch lag ein ein½ Jahr arretiert und ist erst diese Tage von Haft befreit. Das kam formell für den „xxx im Vatican“. Hierbei schicke ich Ihnen 2 Exemplare des II. Bandes der „Schöpfungsgeschichte“ und diese Tage bekommen Sie meine separate u. die Uebersetzung der „Entwicklungsidee“. Es ist so schade, dass wir noch immer keine literarische Convenz haben – man kann die Verleger nicht dazu zwingen, dem Autor etwas zu zahlen!

Hoffentlich bekomme ich eine, wenn auch postkartliche Antwort.

Sehr dankbarer Schüler und Anhänger

A. Henckel

St. Petersburg. Botanisches Institut der Universität

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.01.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 41334
ID
41334