Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Breitenbach, Jena, 26. Februar 1916

Jena 26.2.1916

Lieber Herr Doktor!

Für Ihre freundlichen Glückwünsche zu meinem 82. Geburtstage besten Dank! Ich habe denselben in sehr resignierter Alters-Stimmung verlebt, zumal die „Kriegs-Psychose“, welche die Mehrzahl der modernen Kulturmenschheit zum klaren vernünftigen Denken unfähig macht, die Erinnerung an die schöne Vergangenheit – ein halbes Jahrhundert fruchtbarer Geistes-Arbeit – als Bestes erscheinen läßt!

– Heute sollte hier die wichtige „Hauptversammlung“ des D. Monistenbundes stattfinden, mit Neuwahl des Präsidiums, Fragen der Organisation und Publikation, Anträgen an den Reichstag etc, Petition für „Gedankenfreiheit“, Toleranz etc. etc. || Vorgestern wurde die Versammlung von dem provisorischen Präsidenten, Dr. Müller-Lyer (München) telegraphisch abgesagt, da das General-Kommando die erforderliche Erlaubnis nur bewilligen wollte, wenn derselbe alle Verantwortung für eventuelle politische Debatten (– „die schädlich für die Kriegführung sein könnten“) übernehmen wolle – was er natürlich ablehnen mußte, zumal die Ansichten darüber im Bund weit auseinander gehen! –

Gestern und heute besuchten mich ein Dutzend zugereiste Bundes-Mitglieder aus Nord und Süd, alle sehr enttäuscht und wenig hoffnungsvoll. Auch von Ihnen und Ihren großen Verdiensten um den Monistenbund war viel die Rede; und Bedauern über Ihr Ausscheiden, und über die vielen Fehler der Bundesleitung! –

Hoffen wir auf bessere Zeiten! – und auf die Auferstehung der „Neuen Weltanschauung“!

Mit besten Grüssen

Ihr alter

E. Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
26.02.1916
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Archiv des Helmholtz-Gymnasiums Bielefeld
ID
41160