Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Breitenbach, Jena, 4. Oktober 1910

Jena, 4.10.13.

Lieber Herr Doktor!

Für die Übersendung der gewünschten Separat-Abdrucke Ihres trefflichen Aufsatzes „50 Jahre“ etc – sowie der 30 Exemplare von Heft 9 Ihrer „N. W.“ besten Dank! Bitte um Mitteilung der Rechnung.

Beifolgend sende ich Ihnen Nr. 17 der „Neuen Freien Presse“, enthaltend meine Adresse an die Wiener Naturf. Versammlung, über: „Die Grenzen der Naturwissenschaft“. Auch lege ich das Telegramm der N. F. P. vom 19. 9. bei, enthaltend die „bedenklichen“ Stellen der Adresse, welche die Redaktion aus Furcht vor einem Preßprozeß weglassen zu müssen glaubte, Sie können dieselben eventuell in Ihrer „N. W.“ mit zum Abdruck bringen. ||

Vor 8 Tagen lernte ich hier Herrn W. Blossfeldt kennen, den Redakteur des „Monistischen Jahrhundert“; er bat mich um die Erlaubnis, die Wiener Adresse eventuell in seine Wochenschrift aufnehmen zu dürfen, wogegen ich Nichts einwenden konnte. Herr W. Bl. machte mir den Eindruck eines jungen, noch nicht sehr erfahrenen Journalisten, dessen biologische Vorbildung wohl ziemlich mangelhaft ist. Ich habe über die Redaktion des „Mon. Jahrh.“ vielfache Klage gehört, ebenso über viele neuere Erscheinungen in der Entwickelung des Monistenbundes. Die Schwierigkeiten, die sich seinem Fortschritt entgegen stellen, hier (– innere und äußere –) sind groß. Ich teile Ihre bezügliche Ansicht. ||

Meine Adresse an die Düsseldorfer Tagung des Monistenbundes ist bisher nur im Auszuge bekannt geworden in Heft 26 des „Monistischen Jahrhundert, vom 27. Septb. (Seite 732). Sie soll in der „Kongress-Broschüre“ erscheinen. Das Manuskript hatte ich an den Vorsitzenden des Kongresses, Dr. jur. Maase geschickt. Falls Sie die Adresse in Ihrer „N. W.“ zum Abdruck bringen wollen, bin ich einverstanden.

– Die Taufe meines einzigen Sohnes Walter (geb. 29.9.1868) ist ebenso wie die meiner beiden Töchter (– auf ausdrücklichen Wunsch meiner Frau –) nach dem gewöhnlichen kirchlichen Ritus vollzogen wurden ( durch unseren liberalen Stadtpfarrer.) || Mein lieber Freund Hermann Allmers – der Pate meines Sohnes – hatte zu dessen Taufe ein Gedicht verfaßt, das in der „Gartenlaube“ erschien; danach sollte Walter mit Wein (statt mit Wasser) getauft werden. Dieser Scherz erregte den höchsten Zorn der „Kreuzzeitung“, welche darin eine schändliche Blasphemie des „heiligen Sakramentes“ erblickte und folgerte, daß ich ein gottloser „Säufer“ sei!!

Mit frdl. Gruß

Ihr E. Haeckel.

J. 4.10.13.

P.S. Als Kuriosum sende ich ihnen beiliegendes Programm:

De l’ Institut France-Allemand“ – von dem ich mir keine fruchtbare Wirkung versprechen kann. Frl. Henriette Meyer (Lehrerin in Paris), – die ich bisher nicht persönlich kannte – besuchte mich vor einigen Wochen. Ich gab ihr den Rat, das aussichtslose Unternehmen aufzugeben und sich dem „Verbande für internationale Verständigung“ (Nippold, Schücking) – sowie der „Deutsch-Französischen Liga“ (W. Förster, Berlin Westend, Kaiserdamm 84) anzuschließen, welche Beide jetzt (4. – 7. October) in Nürnberg tagen werden.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
04.10.1913
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Archiv des Helmholtz-Gymnasiums Bielefeld
ID
41125