Hermann Davidsohn an Ernst Haeckel, Berlin, 12. Mai 1907

Friedenau-Berlin d. 12.V.07 | Saarstraße 15.

Hochgeehrter Herr Professor!

Geistesturnier.

Wie einst zu der alten Ritterzeit

Man den, der nicht anerkannte:

„Die Schönste alhie ist des anderen Maid!“

Alsbald mit der Lanze berannte,

So stießen zusammen zwei Ritter von Geist

Und zogen auch hurtig vom Leder,

Da – irrig die Lehre des anderen heißt,

die rechte die eigne – ein jeder.

Die Schwerter, sie blitzten und gaben Klang,

Es sprühten und flogen die Funken,

Bis endlich der eine den anderen bezwang,

Der matt war zur Erde gesunken – ||

Doch bald sich erhebt, zu den Freunden dann eilt,

Zeigt öffentlich dort seine Wunden,

Klagt an, was für Hiebe ihm ausgeteilt

Der, den er als Meister gefunden:

„Wenn jener – daß er es nicht wird er tut! –

Nicht wird gewaltsam gehindert,

Erleiden wir Schaden an sittlichem Gut,

Wird Zucht bald und Ordnung gemindert.“ –

Es rötet die Scham eines jeden Gesicht

Und läßt ihn vor Unmut erbeben,

daß so ein Mann der Wissenschaft ficht

Grad den, der ihr weihte sein Leben.

In Hochachtung und Verehrung

Dr. Hermann Davidsohn.

Brief Metadaten

ID
4107
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
12.05.1907
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
13,4 x 18,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4107
Zitiervorlage
Davidsohn, Hermann an Haeckel, Ernst; Berlin-Friedenau; 12.05.1907; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_4107