Ernst Haeckel an Eduard Strasburger, Rapallo, 9. Dezember 1903

Rapallo, Hôtel Eden,

Riviera levante. 9. Decb. 1903.

Lieber alter Freund!

Deine schönen Botanischen Streifzüge an der Riviera levante, für die ich Dir herzlich danke, studire ich jetzt hier an Ort und Stelle mit großem Genuß. Ich bin mit meiner Frau, die in dem letzten Winter in Jena sehr leidend war, Mitte October hierher übergesiedelt und mit dem herrlichen Golf von Rapallo und seiner malerischen Küste sehr zufrieden. In dem kleinen Hôtel Eden, ganz nahe am Strand (neben H. Beau Rivage) haben wir ein stilles und behagliches Unterkommen bekommena. Wintergäste sind bis jetzt hier noch sehr spärlich. ||

Da ich im letzten Jahre noch gar keine Ferien, dafür aber ein Übermaß anstrengender Arbeit hatte, habe ich den Urlaub dieses Winters (meines 86.sten Semesters in Jena) wohlverdient. Auch will ich den Festlichkeiten des ominoesen 70. Geburtstags entgehen, die die Jenenser Freunde geplant hatten.

Ich arbeite hier vormittags an den „Plankton-Studien“ und an einer allgemeinen biologischen Abhandlung, für die ich auch Dein treffliches Lehrbuch der Botanik mit großen Nutzen verwende. Nachmittags gehe ich spatziren und aquarellire. Meine Frau hat sich in dem milden Seeklima sehr erholt. ||

Wir hatten beabsichtigt, Anfang 1904 nach Sicilien überzusiedeln. Da aber meine Frau das weitere lange Fahren, besonders zur See, sehr angreift, werden wir wohl bis Ende Februar hier bleiben. März und April werden wir dann wahrscheinlich zur Erholung an der Riviera ponente (Bordighera, Antibes?) verwenden. Es wäre sehr schön, wenn Du auch dann herunter kämest und wir unsere alten freundschaftlichen Erinnerungen im Genusse der herrlichen Mittelmeer-Natur erneuerten.

Das Alter schreitet immer schneller vorwärts und ich beginne seine Schwächen (beim Gedächtniß und Bergklettern) recht zu spüren. ||

Kürzlich hatte ich einen sehr angenehmen Besuch von Collegen Penzig; wir sprachen Viel von Dir.

Auch in dem herrlichen Park der Villa Pagana (von Marchese Spinola) bei Santa Margherita habe ich oft an Dich gedacht. Hoffentlich geht es Dir gut, und ebenso Deinen Kindern.

Wir haben im letzten Jahre mancherlei Familien-Sorgen gehabt.

In der Hoffnung, Dich im Frühjahr hier wiederzusehen, mit herzlichsten Grüßen

Dein treuer alter

Ernst Haeckel.

a irrtüml.: gekommen

Brief Metadaten

ID
40868
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Italien
Zielland
Deutschland
Datierung
09.12.1903
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Besitzende Institution
Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Abt. Hss. u. Rara
Signatur
NL Strasburger, Eduard
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Strasburger, Eduard; Rapallo; 09.12.1903; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_40868